In der Pappelallee in Berlin - Prenzlauer Berg gibt es mit dem Friedhofspark der Freireligiösen Gemeinde nicht nur ein Stück Grün in der Stadt zu entdecken, sondern Spuren einer langen Geschichte. Von den meisten der hier seit 1848 Beerdigten kennen wir nur die Namen, von einigen aber wissen wir mehr. Bei näherem Hinschauen werden Querverbindungen und Bezüge sichtbar, die weit über Berlin hinausreichen: zu Personen und Debatten aus Religion, Kultur und Politik im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts.
Die Gemeinde der Berliner Freireligiösen, 1845 im Vorfeld der Revolution entstanden, wandelte sich früh von einer deutsch-katholischen zu einer freien Gemeinde für Dissidenten und Abtrünnige beider christlichen Kirchen und des Judentums. Religionskritik, Gemeinschaftssinn und Bildungsdrang sind seit je wichtige Säulen ihres Selbstverständnisses und Wirkens. Anfangs noch gutbürgerlich geprägt, waren nach 1848 vor allem Handwerksmeister, Ladenbesitzer und Kleinbürger aktiv; zunehmend traten auch einfache Arbeiter mit ihren Familien bei. Zu Zeiten des Sozialistengesetzes fanden Lassalleaner und die Anhänger der jungen Sozialdemokratie hier ihre Ersatzkirche – zeitgleich zum Bau der Arbeiterquartiere im nahen Umfeld des Friedhofs. Legendär ist der enorme Bildungshunger der Freireligiösen. Das Pathos, mit dem dieser Wissensdrang einherging, mag heute seltsam anmuten. Der Impuls dahinter jedoch ist ein urdemokratischer, dessen Vorgeschichte unsere eigene ist.