Ernst Kapulat wuchs allein mit seiner Mutter auf. Sie nahm das Geheimnis ßber den Lorbass, seinen Vater, mit ins Grab. Eines Tages jedoch erhielt er einen Brief. Als Erbe seines verstorbenen Vaters Harry Witt wurde er gemeinsam mit seiner ihm bisher unbekannten Schwester Besitzer der romantischen Waldschenke an der Ostsee. Als der kaufwillige Graf nur wenig Geld bot, ßberlieà die Schwester Ernst das Erbe. Der junge Mann, der in den Nachwendejahren seine Lehre als Kfz-Mechaniker nicht beenden durfte und nun gemeinsam mit seinem Freund eine Mitfahrgemeinschaft betrieb, wurde Gastwirt. Er fand in dem fernen Ort Liebe, Freunde, ⌠und eine weitere Schwester.
LESEPROBE;
âStellt euch das vor: Ich werde Gräfin!â
Mit diesem Jubelruf steckte Gritta, von ihrer Nachmittagstour aus dem Wald kommend, den Kopf in das offene Kßchenfenster, während ihr Fahrrad laut auf den Hof schepperte, rannte gleich danach durch den Flur und zeigte sich in der Tßr zur Gaststube, wo neben Ernst nur die durch den Alarmruf aufgeschreckte Vera sichtbar wurde.
âIch werde Gräfin!â, wiederholte sie. âGritta von Brandstetten, wie das klingt!â
Sie sprang hinaus auf den Vorderhof und trällerte dort trotz der an zwei Tischen sitzenden Gäste weiter.
âIch werde Gräfin, eine richtige Gräfin!â
âNun ist sie total Ăźbergeschnapptâ, stellte Vera fest.
âDahinter steckt bestimmt diese Frauâ, kommentierte Ernst. âDie Grafentochter hat sie eingefangen. Und ich dachte, sie steht nur auf Männer.â
Vera erwischte ihre im Ăbereifer umherwirbelnde Tochter am Arm und zog sie ins Haus.
âHĂśr auf zu plärren! So benimmt man sich nicht vor den Gästen.â
âAber es stimmt. Ich werde Gräfin.â
âDas kannst du dir abschminken. Das wirst du nicht, denn die Komtesse hatte zwischendurch einen bĂźrgerlichen Mann geheiratet. Das Von ist weg. Auch nach der Scheidung heiĂt sie Frau DagstrĂśm, vĂśllig normal, auch wenn sie selbst nicht ganz normal ist.â
âIch rede doch nicht von ihrâ, protestierte Gritta. âIch rede vom Grafen. Der will mich heiraten.â
âGott im Himmel!â, rief Vera.
âDer Graf und du?â, sagte Ernst. âNichts gegen den alten Herrn. Aber der kriegte doch kaum noch die Beine hoch.â
âNicht der alte, sondern der junge, der Sohn, der Werner.â
Werner von Brandstetten genoss sein Ăźppig honoriertes Dasein als Filialchef einer deutschen Fluggesellschaft in Kairo.