Der Wert von Selbstzeugnissen zur Erschließung vergangener Lebenswelten und Wahrnehmungsweisen bietet für die jüdische Geschichte des 18. Jahrhunderts wertvolle Zugänge, solche Quellen sind jedoch nur in geringer Zahl überliefert. Julia Haarmann legt erstmals die Untersuchung eines besonders umfangreichen und lebendigen Textes vor, des in hebräischer Sprache verfassten Selbstzeugnisses Yesh Manchilin von Pinchas Katzenellenbogen (1691–1767). Katzenellenbogen lebte und wirkte als Rabbiner in verschiedenen Gemeinden Frankens und Mährens. Die Autorin bietet eine instruktive und facettenreiche Darstellung jüdischer Lebenswelt des 18. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt steht dabei der Auswahl- und Konservierungsprozess von Geschichte(n), die aus der Sicht von Katzenellenbogen zentrale Bedeutung für seine Nachkommen haben. In ihrer Darstellung zeigt Julia Haarmann auf, wie die Verschriftlichung dieser Geschichte(n) als Mechanismus zur Bewahrung von Identitätsstiftendem für die nachfolgenden Generationen funktioniert. Pinchas Katzenellenbogen – so Haarmanns These – fungiert als »Wächter« seiner jeweiligen Traditionen, Erinnerungen und Werte, die er für die Zukunft bewahrt wissen will. Die Gefahren des Abbruchs von Traditionen, Erinnerungen und Werten, gehen dabei weniger von der nichtjüdischen Umwelt aus, sondern sind vielmehr noch in innerjüdischen Diskursen jener Zeit verortet.
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