Im Kontext von Gestalt und Werk von Leo Weismantel (1888–1964)
wird seine kleine lebendige und höchst unterhaltsame Erzählung Venus
und der Antiquar im Lichte einer responsiven Phänomenologie
analysiert, um den Wesenskern der Erzählung herauszuarbeiten: das
Zusammenspiel der aktiven Passivität des kreativen Eros des Menschen
als homo creator einerseits und der Aura einer mythischen Atmosphäre
andererseits. Erzählt – und in der Abhandlung rekonstruiert
– wird das Geschehen einer epiphanischen Erlebniserfahrung des
Bildhauers Antonio in seiner Werkstätte in den Ruinen von Cumae:
Hier wird es ihm möglich, angeregt von der Schönheit der von ihm
geliebten Cäcilie, eine Figur der Venus aus Marmor zu schaffen, die
der Idee einer wahren Form dergestalt nahekommt, dass sie – eine
turbulente und letztendlich humorvolle Geschichte – zunächst für die
authentische antike ›Venus des Phidias‹ gehalten wird. Das bei Leo
Weismantel noch in dem Zauber der heiligen Landschaften der alten
Götter und Göttinnen eingelassene christliche Offenbarungsgeschehen
wird als exemplarische Poesie analysiert, in der die Poetik das
dynamische Schema einer responsiven Phänomenologie in der Gewebestruktur
des Textes zur Wirkung bringt.