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SHERLOCK HOLMES 4 : Die verlorenen Schuhe

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"Da ist Lestrade!", rief Sherlock Holmes aus.

Direkt am Marble Arch stand der Scotland-Yard-Inspektor und schwenkte eine Laterne.

"Na, der scheint es ja eilig zu haben, Sie zu sehen", brummte ich verwundert. Lestrade kannte ich eigentlich meist eher ĂŒberheblich. Nur im Ă€ußersten Notfall wandte er sich an meinen Freund.

Holmes bedeutete dem Kutscher durch zweimaliges Klopfen an das Wagendach, anzuhalten. Die RĂ€der knirschten im Sand des Straßenrandes. Der kleine Inspektor lief auf uns zu, als wir ausstiegen.

"Gut, dass Sie so rasch gekommen sind!", rief er aus.

Holmes und ich blickten uns an. Was waren das fĂŒr neue Töne?

Mein Freund richtete die Augen auf den Beamten. "Lieber Lestrade, wenn Sie mich rufen, dann kann es sich nur um etwas völlig Außergewöhnliches handeln."

"So ist es, Mr. Holmes. Nicht, dass Scotland Yard mit allem fertig werden könnte, was in der Ganovenwelt passiert. Nein, nein!" Er verhielt in seiner raschen Rede. "Aber 
"

Holmes schaute leicht amĂŒsiert. "Aber was?"

Lestrade wischte mit der freien Hand durch die Luft. "Sehen Sie sich das einfach an!"

Er fĂŒhrte uns in die Finsternis des Regent's Parks. Nachdem wir einige BĂŒsche umrundet hatten, erkannten wir den Widerschein mehrerer Polizeilaternen. In deren Lichtkreis sah man eine verkrĂŒmmt liegende Gestalt.

Als wir nÀher gekommen waren, rief Holmes aus: "Eine Frau!"

Lestrade bestĂ€tigte das. "Sie ist erwĂŒrgt worden. Scheinbar nicht beraubt und auch nicht 
 na, Sie wissen schon."

Mein Freund blieb stehen. "Was bringt Sie dann so aus der Fassung, lieber Lestrade? Scotland Yard halte ich schon fĂŒr fĂ€hig, einen Mord zu klĂ€ren."

Der kleine Inspektor nickte eifrig. "Schon, schon, nur 
 es ist etwas ganz Komisches."

Es begann zu nieseln und die im Nachtwind flackernden Laternen warfen bizarre Schatten auf das markante Gesicht von Sherlock Holmes.

"Die Tote ist barfuß!", platzte der Inspektor heraus.

"Was?", rief ich verblĂŒfft aus. "Aber – man wird ihre 
"

Lestrade schĂŒttelte den Kopf. "Das ist es ja! Alles ist vorhanden. Die Kleidung komplett. Die Handtasche und der Stockschirm sind ebenfalls da. Aber die Schuhe und die StrĂŒmpfe sind weg. Nicht auffindbar. Vier Polizisten haben die Umgebung weitrĂ€umig abgesucht."

"Das ist allerdings seltsam", vernahmen wir Holmes' Stimme. "Sie ist erwĂŒrgt worden, sagen Sie?"

"So ist es!"

Sherlock Holmes stand eine Zeit lang nachdenklich da. Der Regen nahm zu.

"Nun", kam es endlich ĂŒber seine Lippen, "dann lassen Sie uns sehen."

Wir traten in den Kreis der Lampen. Sofort machte sich Holmes daran, den Bereich neben der Leiche zu untersuchen. Zuletzt stöhnte er auf. "Eine Hammelherde hÀtte nicht mehr Spuren zerstören können. Sie lernen es nie, Lestrade."

Der Inspektor verzog beleidigt das Gesicht. "Es musste ja schnell nachgesehen werden, ob noch ein FĂŒnkchen Leben in ihr war."

Holmes sah hoch und gab mir einen Wink. Dabei zog er eine der Laternen nĂ€her heran. Er deutete auf die Fußsohlen der Toten. "Wie interpretieren Sie das, Doktor?"

Ich bĂŒckte mich und nahm die Sohlen genau in Augenschein. Sie zeigten sich schmutzig und dunkel gefĂ€rbt.

"FĂŒhlen Sie mal", forderte Holmes mich auf. Ich tat es.

"Sie sind Ă€ußerst hart", staunte ich.