Theorie und Geschichte der Kommunikationswissenschaft

Wie hat sich das Potenzial gesellschaftskritischer Perspektiven, das mit der Studentenbewegung in der West-Berliner Publizistikwissenschaft entstanden war, nach '1968' weiterentwickelt? Wie haben sich Lehre, Forschung und akademische Selbstverwaltung verĂ€ndert? Welchen Anteil hatten Politik, UniversitĂ€t und Mediensystem, aber auch individuelle Protagonisten und organisierte Gruppen zu Beginn und Ende einer etwa zwanzigjĂ€hrigen Phase, die die Berliner Fachentwicklung von anderen Standorten unterscheidet? Der Band nimmt diese Fragen in biografischen Interviews und fachgeschichtlichen AufsĂ€tzen in den Blick und wĂ€hlt damit einen Zugang, der eine differenzierte AnnĂ€herung an eine umkĂ€mpfte und umstrittene Phase der Institutsgeschichte ermöglicht, dabei aber keine geschlossene Deutung anstrebt. Zu Wort kommen Vertreterinnen und Vertreter des Fachs, die zu verschiedenen Zeiten und von unterschiedlichen Positionen aus ihre durchaus disparaten Ideen und Interessen durchzusetzen und zu institutionalisieren suchten. Der Band macht auf die Berliner Pressekonzentrationsforschung und das Berliner Modell der Journalistenausbildung ebenso aufmerksam wie auf erbitterte LagerkĂ€mpfe, die Situation des akademischen Mittelbaus, Ausstattungsnöte und wachsende Studentenzahlen. Auch zeigt der Band, wie die Berliner Publizistikwissenschaft zum Gestaltungsobjekt politischer Interessen wurde. So werden Aufschwung und Niedergang medien- und gesellschaftskritischer AnsĂ€tze an einem Standort erhellt, der bis heute einer der grĂ¶ĂŸten in der Kommunikationswissenschaft ist.