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Im Zwielicht der Freiheit

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Am 29. Oktober 2022 wird die heute in Potsdam lebende Schriftstellerin Sigrid Grabner 80 Jahre alt. Rechnet man nach, dann kommt man logischerweise auf den Jahrgang 42 – so auch der Haupttitel des ersten Bandes der Autobiografie der Autorin, Indonesienkundlerin und Katholikin. Über ihr Leben hat Sigrid Grabner in einer zweibĂ€ndigen Autobiografie Auskunft gegeben. Unter dem Titel „Jahrgang 42. Mein Leben zwischen den Zeiten“ hatte sie ĂŒber ihre ersten 47 Lebensjahre geschrieben – vom 29. Oktober 2022 bis zum 10. November 1989, nachdem sich wenige Tage nach ihrem 47. Geburtstag alles geĂ€ndert hatte:

Nach dem Erscheinen der Autobiografie „Jahrgang 42“, die mit den Ereignissen des Herbstes 1989 in der DDR endet, fragten mich Leser aus Ost und West, wie es denn nach dem Fall der Mauer weitergegangen sei, heißt es zu Beginn des Vorwortes zum zweiten Teil ihrer Autobiografie, der Sigrid Grabner den ebenso schönen wie nachdenklich stimmenden Titel „Im Zwielicht der Freiheit. Potsdam ist mehr als Sanssouci“ gegeben hat. Schließlich seien die ersten Jahre des vereinigten Deutschlands widersprĂŒchlich, reich an Ereignissen und oft bis zum Zerreißen angespannt gewesen. Beim Mauerfall siebenundvierzig Jahre, hĂ€tte doch noch eine Reihe aktiver Jahre vor mir gelegen.

Inzwischen sind fast dreißig Jahre seit den turbulenten Monaten und Wochen des Herbstes 1989 vergangen. Viel Wasser ist seither ins Meer geflossen und auch mein Lebensfluss nĂ€hert sich der MĂŒndung ins Meer der Ewigkeit. So habe ich mich entschlossen, Zeugnis ĂŒber mein Leben im wiedervereinigten Deutschland abzulegen und sie gleichsam als Flaschenpost dem Strom der Zeit anzuvertrauen. Wer sie findet, dem erzĂ€hlt sie etwas ĂŒber GlĂŒck, EnttĂ€uschungen, Versagen und Hoffnung, vor allem aber viel ĂŒber sich selbst. Die Zeiten Ă€ndern sich, die Menschen nicht.

Teil 2 setzt noch einmal da ein, wo Teil 1 aufgehört hat, am 9. November 1989, als ein Wort alles verĂ€nderte – es lautete „sofort“. Dieses sofort bedeutete fĂŒr viele Menschen der nun bald ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und auch fĂŒr die Autorin eine heftige ZĂ€sur:

Ich ging durch eine Stadt, in der ich seit vierundzwanzig Jahren lebte, und sah sie mit anderen Augen. Sie schien noch grauer und zerstörter als vor dem Mauerfall. Die Spuren der EinschĂŒsse in den MauerwĂ€nden aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, der fĂŒnfundvierzig Jahre zurĂŒcklag, die schadhaften Straßen, die desolaten DĂ€cher