Der "Kommentar zu einem Lied der Liebe" des Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) entstand während des Jahres 1486, zeitgleich mit der Niederschrift der 900 Thesen sowie der dazu einleitenden "Oratio de hominis dignitate" (PhB 427). Die Grundlage des Kommentars waren neun Stanzen, verfaßt von Girolamo Benivieni, der wie Pico ebenfalls dem losen Kreis der Florentiner Akademie um Marsilio Ficino zuzurechnen ist. Das Thema der Schrift ist das Verhältnis zwischen Einheit und Mannigfaltigkeit. Während Gott das Einfache ist, ist das Schöne Zusammensetzung und Widerstreit. Das erscheinende Schöne mit all seinen Ungereimtheiten und Unvollkommenheiten ist der Gegenstand Picos Interesses; das vorgeblich Perfekte dagegen erscheint ihm schal. Innerhalb der neuplatonischen Tradition gelingt Pico eine Aufwertung der Phänomene der erscheinenden Wirklichkeit. Kommentar, Thesenschrift und Oratio stehen in engem Zusammenhang. Der Kommentar kann als der Versuch einer praktisch-poetischen Durchführung der streng wissenschaftlich gehaltenen Thesenschrift verstanden werden. In 'freier' Form modelliert Pico um den Anlaß der Kanzone seine immer wieder vorgebrachte konziliatorische Absicht: den Nachweis der Übereinstimmung und Vereinbarkeit des über die Zeiten hinweg sich ausdifferenzierenden und - aus seiner Sicht - scheinbar sich widersprechenden Wissens. Dabei wird das poetische Mittel zu einem bedeutenden Träger des Gehalts. Denn während das schrittweise, diskursive Vorgehen philosophischer Untersuchungen die betrachtete Wirklichkeit in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt, erzeugt das poetische Denken eine Gemeinsamkeit der zuvor noch auseinanderstrebenden Inhalte.
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Philosophische Bibliothek
Kommentar zu einem Lied der Liebe : Zweisprachige Ausgabe
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Giovanni Pico della Mirandola
Count Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) was an Italian Renaissance philosopher. He is famed for the events of 1486, when at the age of 23, he proposed to defend 900 theses on religion, philosophy, natural philosophy and magic against all comers, for which he wrote the famous Oration on the Dignity of Man, which has been called the "Manifesto of the Renaissance", and a key text of Renaissance humanism and of what has been called the “Hermetic Reformation."
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