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Beim Wort genommen : Joseph Beuys und der Nationalsozialismus

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Zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys begegnet Ron Manheim dem KĂŒnstler kritisch und wirft in Beim Wort genommen einen genaueren Blick auf seine Äußerungen zur Zeit des Nationalsozialismus. In diesen hat Beuys nicht nur die eigene, persönliche Geschichte einem Idealbild 'angepasst'. Da, wo seine Erinnerungen und seine EinschĂ€tzungen der Gegenwart einen direkten Bezug zum Nationalsozialismus aufzuweisen hatten, zeigte er auffallend oft ein erstaunliches bis abstoßendes Erinnerungs- und Weltbild.

Es ist zwar bereits unĂŒberschaubar viel ĂŒber das Denken und Reden von Joseph Beuys veröffentlicht worden, doch wurde bis heute nicht der Frage nachgegangen, woher seine Aussagen zur Zeit des Nationalsozialismus stammen, aus welchen Quellen Beuys dabei schöpfte, was er mit diesen Äußerungen bezweckte und wie sich diese zu den kunst- und gesellschaftstheoretischen Äußerungen des KĂŒnstlers verhalten könnten. Manheim stellt Beuys' Aussagen zur Zeit des Nationalsozialismus in Themengruppen zusammen: Erinnerungen an die eigene Kindheit und (Hitler-)Jugend, an seine Lehrer und jĂŒdischen MitschĂŒler, die GrĂŒnde fĂŒr Beuys' freiwillige Meldung zur Luftwaffe, die Erlebnisse im Krieg, die BeweggrĂŒnde fĂŒr die Hinwendung zum KĂŒnstlerberuf, die Ideen zum 'deutschen Volk' und den spĂ€ten Vergleich der Gegenwart mit "Auschwitz". Dabei entstand in der offensichtlichen Fantasiewelt des KĂŒnstlers ein vielfach bis ins Extreme verfĂ€lschtes Bild der realen VerhĂ€ltnisse.

Die Ursache sieht Manheim in der Persönlichkeit des KĂŒnstlers, dessen Hang zur Esoterik ihn blind machte fĂŒr die Wirklichkeit. Schon vor Kriegsende stieß Beuys auf die Gedankenwelt des Anthroposophen Rudolf Steiner, nachdem er sich bereits wĂ€hrend seiner Flieger-Ausbildungszeit im damaligen Posen mit den braun gefĂ€rbten gesellschaftlichen Ganzheitsvorstellungen von Eduard Spranger auseinandergesetzt hatte. Unmittelbar nach dem Krieg tauchte er in die metaphysische Weltsicht Steiners ein, ohne auch nur im Geringsten eine Phase der ideologiekritischen Reflektion zu durchleben.

In den zahlreichen GesprĂ€chen und Interviews wĂ€hrend seiner kĂŒnstlerisch-aktionistischen Erfolgsjahre zeigte Beuys sich den Fragen nach der Jugend, der Kriegszeit und den RealitĂ€ten der AktualitĂ€t gegenĂŒber als völlig hilflos. Wie bei der VerklĂ€rung des eigenen Lebenslaufs, so befand er sich auch bei seiner Deutung von Gegenwart und Zukunft als ein Gefangener im Kokon der Esoterik, wobei nicht selten Begriffe und Auffassungen aus der dunklen jĂŒngsten Vergangenheit aufschienen.