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Benito

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1995 fĂ€hrt der elfjĂ€hrige Cherubim mit seiner Pfadfindergruppe auf eine dreiwöchige Kanufahrt einen westdeutschen Fluss entlang. Sie alle tragen klingende Fahrtennamen wie Kippe, Maus und Fliegentöter. Ihren AnfĂŒhrer, ein paar Jahre Ă€lter als sie, nennen sie HĂ€uptling. Je weiter der Fluss sie trĂ€gt, desto verbundener fĂŒhlt sich Cherubim den anderen, desto mehr vergisst er sein Zuhause. Dort warten ohnehin nur seine frisch getrennten Eltern auf ihn, die Mutter ĂŒberfordert, der Vater depressiv. FĂŒr den blinden Benito, mit dem er sich eines der Boote teilt, entwickelt er ein zunehmend obsessives Interesse. Dann geschieht ein schreckliches UnglĂŒck: Durch einen Jagdunfall wird der AnfĂŒhrer getötet, woraufhin die Jungen bald dem Wahnsinn nahe die Flussfahrt ohne ihn fortsetzen. Immer tiefer geraten sie nun in eine verstörende Welt. Das kindliche Abenteuer wird zu einem surrealen Albtraum. Benito erfĂ€hrt dabei eine radikale Wandlung: Zunehmend ergeht der zu Beginn noch in sich gekehrte Junge sich in immer zornigeren Monologen, die den Irrweg der Zivilisation anprangern. Aus dem stillen Jungen wird ein fatalistischer Prophet, ein blinder, apokalyptischer Seher. Drei Jahrzehnte spĂ€ter ist aus Cherubim ein bekannter Schriftsteller geworden, der einer rĂ€tselhaften Einladung folgend nach Bonn kommt. Am Tag des Empfangs im bekannten Hotel Paradies, das von einer Vielzahl prominenter Menschen aus Politik, Wirtschaft und dem ShowgeschĂ€ft besucht wird, stĂŒrmt ein maskierter Mann den Saal Eden, schließt die 300 GĂ€ste darin ein und schießt minutenlang wild um sich. Wie durch ein Wunder kommt niemand zu Schaden. Cherubim begreift schnell, dass das Attentat nur vorgetĂ€uscht und mit viel Pomp inszeniert ist. Und hat nicht Benito sein linkes Bein genauso nachgezogen wie der AttentĂ€ter? In der Folge begibt er sich auf eine Spurensuche durch das Ruhrgebiet, reflektiert die Mythen der alten BRD und muss immer mehr feststellen, dass das öffentlichkeitswirksame RĂ€tsel, dem er in Bonn beiwohnte, eng verwoben ist mit den Ereignissen seiner Kindheit. So wird die Suche nach der Wahrheit auch eine Suche nach seiner eigenen Vergangenheit. In eindringlicher Sprache erforscht Hendrik Otremba, was uns ĂŒber unsere eigenen Grenzen treibt. AbenteuererzĂ€hlung und KĂŒnstlerroman in einem entwirft Benito im dichten Wechsel zwischen zwei Zeit- und ErzĂ€hlebenen ein Kaleidoskop aus Zorn und Intellekt, Aktion und Reflexion, Terror und Kunst.