Über Clara Viebig
Clara Viebig wurde 1860 in Trier geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend in Trier, Düsseldorf und auf den Gütern ihrer Verwandten im Posener Land, und sie lebte seit 1883 in Berlin. Ihre zahlreichen Romane und Erzählungen, die sie zu einer der meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit machten, sind vom Naturalismus geprägt. Clara Viebig stellt in schonungsloser Weise die Sorgen und Nöte der kleinen Menschen in ihrer Welt dar.
Über das Buch
In ihrem erstmals 1925 erschienenen Roman ›Die Passion‹ schildert Clara Viebig den Leidensweg dreier an Syphilis erkrankter Menschen. Insbesondere das Schicksal der Tochter Eva führt die Hilflosigkeit der Betroffenen wie auch der Umwelt vor Augen, denen die Krankheit als anrüchig gilt und deren Verhalten von Abscheu, Ekel und Furcht erfüllt ist. In dem Maße, in dem die ›Passion‹ zahlreiche Parallelen zu den heutigen Unsicherheiten im Umgang mit HIV-positiven Menschen aufweist, ist Clara Viebigs Roman erstaunlich aktuell.
Leseprobe
'Jetzt waren sie allein. Und Eva, sich ein Herz fassend, alle Angst und Scheu überwindend [.], sprach kurz und mit dem Mut, den die höchste Willensanstrengung gibt, jedes Wort heraus stoßend: 'Was fehlt mir?'
'Wilkowski!' Dem Professor fuhr ihr Name unwillkürlich heraus. Er war aufs höchste überrascht: was, das wußte die nicht? ›Zu dumm‹, dachte er bei sich. Als Mensch fühlte er Mitleid, aber als Arzt nahm er die Sache so tragisch nicht.
'Sie haben hereditäre Syphilis', sagte er trocken, ganz sachlich. 'Ererbte.' Er hatte noch einiges sagen wollen, aber er stockte.
Wie ein Blitz war es aufgezuckt in den schwachsichtigen Augen, ein solches Entsetzen, daß es ihm auf einmal kam: hier fiel ein großer Jammer auf eine arme junge Seele.'
Aus dem Buch