In dem Buch: RĂŒckkehr ins Eigene, das 2006 in der âșInterkulturellen Bibliothekâč erschienen ist, wird - am Ende der Einleitung - eine Fortsetzung der darin begonnenen Denkarbeit in Aussicht gestellt. Die âșinterkulturellen Erfahrungenâč haben das eigene Denken verĂ€ndert. Weil der Autor anderes gesehen habe, sieht er nun das Eigene anders. Der Blick auf das Eigene, aber auch auf das Fremde, mit dem er in diesen Erfahrungen konfrontiert worden ist, ist schĂ€rfer und kritischer worden. Das Eigene und das Fremde haben deutlichere Umrisse gewonnen. Und auch die Prozesse der AnnĂ€herung und Vermischung sind klarer erkennbar geworden. Der Horizont möglicher Fragen und LösungsansĂ€tze hat sich erweitert. Insgesamt hat sich eine Bereicherung der eigenen philosophischen Arbeit ergeben. Sie hat eine âșinterkulturelle Dimensionâč hinzugewonnen. Im wesentlichen lassen sich die âșErgebnisse der interkulturellen Erfahrungâč jedoch, wie an der erwĂ€hnten Stelle im Buch RĂŒckkehr ins Eigene bereits betont worden ist, nur an konkreten Beispielen aufzeigen.
Eine âșneue Bewertung des Animismusâč, die in VortrĂ€gen des Jahres 2006 anvisiert worden ist, wird im ersten Beitrag des vorliegenden Bandes weiter zu unterbaut. In den Schriften Hegels aus den Jahren 1800 bis 1802 wird eine âșReligion des Lebensâč philosophisch begrĂŒndet, die ganz anders als die spĂ€tere âșReligion des Geistesâč in der EnzyklopĂ€die der philosophischen Wissenschaften (1. Auflage 1817) und den Vorlesungen ĂŒber die Philosophie der Religion (seit 1821), zur animistischen Denkweise der traditionellen Religion im subsaharischen Afrika ins VerhĂ€ltnis zu setzen ist. Das erfordert freilich einige methodische Ăberlegungen, die den Rahmen schaffen, um die Abwertung der animistischen Religion in der und durch die Ideologie des Kolonialismus rĂŒckgĂ€ngig zu machen.
Das Nietzsche-Thema klingt im 3. Kapitel der RĂŒckkehr in Eigene bereits an. Die Verweise Nietzsches auf die indische und chinesische Philosophie sind in ihrer Bedeutung fĂŒr sein Denken bereits grĂŒndlich untersucht worden. Der vorliegende Beitrag zielt eher darauf, welche anderen nicht-westlichen Kulturen und Philosophien Nietzsches âșĂŒbereuropĂ€isches Augeâč auch noch in den Blick gefaĂt hat: den Islam, besonders die maurische Kultur in Spanien, und - wie könnte das unerwĂ€hnt bleiben - die persische Religion und Philosophie Zarathustras. Besonders zugespitzt werden diese Untersuchungen auf Nietzsches ambivalentes VerhĂ€ltnis zu primĂ€r mĂŒndlich kommunizierenden Kulturen, insbesondere Afrikas, und deren Philosophien.
FĂŒr das letzte Kapitel, in dem der eigene Standpunkt des Autors dargelegt wird, wird der âșlange Wegâč von religiös-christlichen und philosophisch-europĂ€ischen Ausgangspunkten âșins Nichtsâč, als ein Weg in das Denken der Differenz als Vielheit ohne ein Zentrum beschrieben - ein Denken, das er als seinen âșPluralismusâč bezeichnet. Es versteht sich, daĂ er damit allererst die PluralitĂ€t der Kulturen meint, die zu der einen Menschheit gehören, die sich aber immer nur in der kulturellen Vielheit manifestiert.
Zum Autor
Heinz Kimmerle, geboren 1930, ist emeritierter Professor fĂŒr Philosophie. WĂ€hrend der letzten fĂŒnf Jahre seiner LehrtĂ€tig-keit war er Inhaber eines Stiftungs-Lehrstuhls fĂŒr >Grundlagen der Interkulturellen Philosophie< an der Erasmus UniversitĂ€t Rotterdam. Seine Forschungsarbeit richtet sich seitdem vor allem auf interkulturelle Philosophie mit dem Schwerpunkt afrikanische Philosophie. 2003 erhielt er ein Ehrendoktorat von der UniverisitĂ€t von SĂŒdafrika in Pretoria.