Sam und Meret, so heißt das Paar dieses Buchs, das man nur ungern ein Paar nennen mag. Von Liebe ist nicht die Rede, von Begehren auch nicht, im Gegenteil. Sam macht sich breit, er nistet sich ein, und dazu schickt er Meret fort. Nicht auf Reisen, nicht auf Wanderschaft, sondern in die Unbehaustheit. Mit grausamer Sorgfalt entwirft er eineRoute, berechnet ihren Proviant, stellt Regeln auf, ihr bleiben die Wahl der Himmelsrichtung und zwei Schulhefte: In das eine schreibt sie, was sich zugetragen hat, in das andere, was ihr widerfahren könnte. Beide Hefte sind am Ende voll, vonbeidem voll. Sie erzählen von zwei Menschen, die eine rätselhafte Logik von Macht und Kontrolle, von Unterdrückung und Unterwerfung zum Paar macht. Und sie erzählen vom Schreiben, von Möglichkeiten der Selbstbefreiung und wie man sich damit tiefer und tiefer verstrickt. »Das Nesselhemd« ist ein böses Märchen – böse auch in seinem Humor. Beckett? Bernhard? Jelinek? Jon Fosse? Das ist alles nicht falsch, und doch ist der Erzählkosmos der Elfriede Kern unverwechselbar: Es sind Träume, aus deren Schrecken man nicht gern erwacht. Denn wer weiß schon, wie es in Wirklichkeit ist!