Der Lebensphilosoph Ludwig Klages (1872-1956) gehört zu den leidenschaftlichsten und zugleich umstrittensten deutschen Denkern des 20. Jahrhunderts. Als philosophische Prophetenfigur, als konservativer RevolutionĂ€r, als radikaler Vordenker der ökologischen Bewegung, aber auch als innovativer Psychologe, welcher der Charakterologie und Ausdruckskunde, insbesondere der anrĂŒchigen Graphologie, wissenschaftliche Geltung verschaffte, hat Klages jenseits des akademischen Mainstream ein Werk von beeindruckender Vielfalt und Spannweite hinterlassen. Dieses kulminiert in dem epochalen Opus magnum "Der Geist als Widersacher der Seele".
Seine rigorose Kultur- und Zivilisationskritik kreist um die GefĂ€hrdung des Menschen durch die zersetzende Ăbermacht des Geistes, das heiĂt vor allem des rationalen Zweckdenkens, das sich in lebensfeindlicher Wissenschaft und Technik, devotem Mammonsdienst, psychischer SelbstverstĂŒmmelung sowie weitreichender Umweltzerstörung Ă€uĂert.
In den beiden Radioessays "Grundlagen der Charakterkunde" (1949) sowie "Das Problem des Menschen" (1952), den einzig ĂŒberlieferten Originaltonaufnahmen von Klages, kommt der wissenschaftlich argumentierende Psychologe zu Wort, kommt aber auch jenes Pathos hörbar zum Ausdruck, das fĂŒr dessen Persönlichkeit und Denken prĂ€gend war: ausgefeilte Essays, mit denen Klages gegen die mathematisierenden, die Seele gleichsam austreibenden Tendenzen der akademischen Psychologie seiner Zeit, zum Beispiel in Form der experimentellen Psychologie, der Psychoanalyse oder des Behaviorismus, anschrieb. Kurzum, ein zu Unrecht vergessenes, an originellen und fruchtbaren DenkanstöĂen ĂŒberreiches Kapitel der Psychologiegeschichte.