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Das schwierige koloniale Erbe : Politikum 1/2022

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Mit der Eröffnung des Humboldt Forums hat sich die Debatte um den Umgang mit unserem schwierigen kolonialen Erbe intensiviert. Sie hat gezeigt, dass es um weit mehr geht als um die Restitution von geraubten oder auch rechtmĂ€ĂŸig erworbenen KulturgĂŒtern an die Herkunftsgesellschaften. Es geht darum, wie wir uns selbst und andere sehen, es geht um Versöhnung und Gerechtigkeit, gegenseitige WertschĂ€tzung und Vertrauen. Globale Krisen – 80 Millionen FlĂŒchtlinge, die Verbreitung tödlicher Seuchen, der gerechte Zugang zu natĂŒrlichen Ressourcen, die Sicherung der natĂŒrlichen Lebensgrundlagen weltweit etc. – lassen sich nur durch internationale Zusammenarbeit lösen. Das gelingt nicht, wenn die Vergangenheit zwischen den frĂŒheren KolonialmĂ€chten und den von diesen unterdrĂŒckten und ausgebeuteten Menschen steht.

Die Frage ist also keine nationale, sondern eine internationale. Dieses Heft nimmt daher eine internationale Perspektive ein und lĂ€sst Wissenschaftler*innen und Fachleute aus verschiedenen LĂ€ndern zu Wort kommen. Dabei zeigt sich, dass strittige Restitutionsfragen nicht die GegensĂ€tze verschĂ€rfen mĂŒssen, sondern der Umgang mit ihnen die Möglichkeit bietet, eine weitergehende VerstĂ€ndigung oder zumindest ein grĂ¶ĂŸeres gegenseitiges VerstĂ€ndnis zu erreichen. Die Museen ĂŒbernehmen dabei eine wichtige Aufgabe.

Das ist deswegen nötig, weil das geltende Recht nicht geeignet ist, die anstehenden Probleme zu lösen. Wie ein Recht aussehen kann, dass zumindest ein Anfang sein kann, um zu einem Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen zu kommen, zeigt ein Blick ĂŒber den Atlantik. Der Native American Grave and Protection Repatriation Act 1990 könnte hier Anschauungsmaterial fĂŒr die frĂŒheren KolonialmĂ€chte bzw. die Herkunftsgesellschaften in Europa liefern.

Wie nötig eine sachkundige und historisch korrekte Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit fĂŒr die Gegenwart ist, zeigt das Beispiel Großbritannien. In VerklĂ€rung einer glorreichen kolonialen Vergangenheit wird das Heil in einem "global Britain" gesehen. Dabei ist es "wahrscheinlich nur möglich, beim britischen Empire nostalgisch zu werden, wenn man den Großteil seiner Geschichte vergisst" (Robert Saunders).