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Der Verleger Alfred Janssen und die Reformbewegung

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Der Autor gliedert seine Arbeit in einen einfĂŒhrenden und drei Hauptteile. Auf eine kurze Darlegung zu VerlagsgeschĂ€ft und Buchhandel im 19. Jahrhundert folgt Janßens private Biographie und die geschĂ€ftliche Entwicklung seiner Verlagsbuchhandlung von ihrer Verlegung von Leipzig nach Hamburg 1899 bis zum Verkauf an den Verlag Georg Westermann 1917. Dem wird der berufliche Werdegang Janßens in Leipzig seit der dortigen GrĂŒndung seiner Firma 1891 bis zum Umzug nach Hamburg nachgeliefert. Dieser vierte Abschnitt des ersten Teils befaßt sich stĂ€rker mit den verlegten Werken und mag daher als Vorlauf gemeint sein zu den folgenden drei Teilen, die das Hamburger Verlagssortiment und seine Autoren getrennt nach Zeitschriften, schöngeistiger und Sachbuchliteratur sowie Reform- und Jugendliteratur vorstellen.

Die drei Hauptteile beginnen jeweils mit einer allgemeinen Vorbemerkung. Das AufblĂŒhen des (Kunst-)Zeitschriftenwesens gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird allerdings nur erwĂ€hnt, nicht beschrieben oder begrĂŒndet. Die EinfĂŒhrung zum Hauptteil ĂŒber die schöngeistige und Sachbuchliteratur ist knapp, umfaßt aber das Wesentliche. Dem Teil ĂŒber die Reformautoren in Janßens Verlag ist mit dem Abschnitt "Der Drang nach pĂ€dagogischem Fortschritt in Hamburg und Bremen" eine besonders lange EinfĂŒhrung vorangestellt.

Die Autoren werden, ihrer Bedeutung fĂŒr den Verlag entsprechend, jeweils mit Lebensdaten und biographischem Hintergrund ausgestattet. AuffĂ€llig ist eine ungleiche Gewichtung: Zu den meisten Autoren, wie etwa zu Carl Adolf Mönckeberg, findet sich auch Persönliches und Privates; der fĂŒr Janßens Verlag mindestens ebenso bedeutende Heinrich Scharrelmann erscheint ausschließlich als Autor und ReformpĂ€dagoge - vielleicht weil sich Pieler bei Scharrelmanns Charakterisierung nur auf die grundlegende Arbeit von Dirk Hagener zur Bremer Reformbewegung in der Kaiserzeit und auf die Darstellung der Bremer Lehrerschaft bis 1933 von Hinrich Wulff stĂŒtzt. (Wulffs 1950 erschienenes Werk rechnet er seltsamerweise zu gedruckten Quellen.) Jedoch angesichts der Bedeutung, die Pieler Scharrelmann als meistverkauftem Autor des Janßen-Verlages zuerkennt, hĂ€tte Wilhelm MĂŒllers, Dissertation ĂŒber Scharrelmann von 1979 hinzugezogen werden sollen. Ebenso fehlt im Literaturverzeichnis die 1986 erschienene Monographie von Renate Bienzeisler ĂŒber den zweiten wichtigen Bremer ReformpĂ€dagogen, mit dem Janßen zusammenarbeitete: Fritz Gansberg. Außerdem hĂ€tte sich Pieler zu dem mehrfach erwĂ€hnten "Bremer Schulstreit" nicht nur auf die SekundĂ€rliteratur beziehen, sondern den Verhandlungsbericht gleichen Titels von 1907 einsehen können.

Neben PrimĂ€r- und SekundĂ€rliteratur nutzte der Autor fĂŒr seine Arbeit zahlreiche wichtige Quellen, vor allem den in der Hamburger StUB verwahrten Nachlaß Janßens und dessen Notizen aus einem persönlichen Nachlaß, den seine Erben zur Auswertung zur VerfĂŒgung stellten. Trotzdem bleibt Alfred Janßen als Person etwas unscharf, z.B. in seiner politischen Einstellung (lehnte er "die Sozialdemokratie" tatsĂ€chlich strikt ab?). Anschaulich wird eine Verlegerpersönlichkeit mit sozialem Engagement, die sich der Jugend- und Volksbildung verschrieb und damit finanziell nur mĂ€ĂŸigen Erfolg hatte. Janßens Bedeutung ist bis heute noch nicht ganz zu ermessen. Er gab jungen Reformern die Chance, zu veröffentlichen und so ihr Gedankengut in die pĂ€dagogische Diskussion einzubringen. Es war daher hohe Zeit, Janßens Wirken darzustellen, und dafĂŒr ist Peter-Hubertus Pieler sehr zu danken.

Sylvelin Wissmonn

aus: Seite 322-323

Germanistik 37. Jg., 1996, 1, Seite 343