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Der verlorene Sohn : Stolz und Trotz eines Grafen

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Dieses eBook: "Der verlorene Sohn" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfÀltig korrekturgelesen.

Aus dem Buch:

"Man nannte sie einen wunderlichen Charakter. – Viele behaupteten, sie sei unliebenswĂŒrdig und kaltherzig, wenige nahmen sie in Schutz und versicherten, hinter ihrem kĂŒhlen, schroffen Wesen berge sich ein tiefes GefĂŒhl, ein warmes und großes Empfinden, welches jedoch Ă€ngstlich versteckt werde, wie ein Licht unter dem Scheffel. Wer in seinem Elternhause nur militĂ€rische PrĂ€zision, Kommandos und soldatischen Drill gewöhnt sei, mĂŒsse ja jede weichere und zĂ€rtlichere Regung des Herzens als GefĂŒhlsduselei und lĂ€cherliche SentimentalitĂ€t erachten. FrĂ€ulein Malwine von Ries sei das Ebenbild des Vaters, ein Soldat in MĂ€dchenkleidern. Was PflichtgefĂŒhl, Ehre, Rechtschaffenheit bedeute, sei ihr voll bewußt, aber die Passionen ihrer Altersgenossinnen, ein lyrisches Gedicht zu lesen, abends an dem geöffneten Fenster in Lenzesduft und Mondenschein hinaus zu schwĂ€rmen, ein Ballkleid entzĂŒckend und ein totes Vögelchen zum Herzbrechen traurig zu finden, diese schwĂ€rmerischen Anwandlungen seien ihr geradezu unverstĂ€ndlich und wohl auch in tiefster Seele zuwider. Ob FrĂ€ulein Malwine sich wohl jemals verlieben könne und werde? Man lĂ€chelte bei diesem Gedanken ebenso unglĂ€ubig wie bei dem phantastischen Plan eines Sternforschers, zwischen Mars und Erde einen regelrechten Meinungsaustausch zu bewerkstelligen. FrĂ€ulein Malwine als Braut! – welch eine Ironie auf all die lieblichen Traditionen, welche sich mit diesem Worte verknĂŒpfen!"

Nataly von Eschstruth (1860-1939) war eine deutsche Schriftstellerin und eine der beliebtesten ErzÀhlerinnen der wilhelminischen Epoche.