Zwei Eigenschaften zeichnen die Texte von Wolfgang Schreyer aus: er schreibt immer abenteuerlich und spannend, sie fesseln den Leser. Und Schreyer schreibt immer politisch und auf der Grundlage gut und präzise recherchierter Fakten. Das gilt auch für diese beiden Texte, die sich mit sozialen Kämpfen in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Lateinamerika und in Portugal befassen.
In der ersten der beiden Erzählungen, die in Uruguay spielt, stellt sich zunächst der Erzähler vor, der eine Niederlage erlitten hat. Sein Vater, von dem er sich losgesagt hat, ist übrigens ein Armee-Oberst und steht auf der anderen Seite:
Jetzt will ich alles, was passiert ist, aufschreiben, und zwar ohne es zu glätten oder Wesentliches wegzulassen; sonst würde es wertlos. Ich schreibe in meiner Stenografie, die außer mir niemand lesen kann. Der Bursche, den mein Vater mir ans Bett gesetzt hat, damit er mich vor Mördern schützt, nimmt den Text immer mit, wenn er abgelöst wird. Er ist dem Oberst ganz ergeben, ich riskiere also den Verlust der Blätter nicht.
Bisher hab ich über die Erfahrungen unseres Kampfes, über meine Haltung zur Partei – in den Meinungsverschiedenheiten der Leitung – Vertrauliches nie zu Papier gebracht. Dazu war keine Zeit, auch schien mir, es könnte schaden. (Aus Furcht, unserer Sache zu schaden, schaden wir unserer Sache.) Aber nun, bis zur Brust in Gips, bleibt mir nichts anderes übrig. Na ja, ihr werdet sehen, wie schön es ist, Theoretiker zu sein! Denken ist Leben, für mich jetzt Medizin; und die Analyse von Niederlagen kann genauso befriedigen wie die von Siegen.
Die zweite Erzählung „Die Durststrecke“ spielt etwa ein Jahrzehnt später im Nach-Nelkenrevolution-Portugal Ende 1975: Der Brunnenbau-Ingenieur LuĂs Branco, der den trockenen Alentejo bewässern hilft, bekommt Schwierigkeiten mit den Menschen, denen er doch helfen will – armen Bauern, die Angst um ihr Wasser haben:
Sie taten so, als lauschten sie, bereit, seinen Erguss taktvoll zu überhören, ihm zu erlauben, das Gesicht zu wahren. Er wollte es kurz machen, ihre Höflichkeit nicht ausnutzen, aber nun brach es doch aus ihm heraus: „Ich bin ja nicht bloß Ingenieur, der seine Arbeit tun möchte, sondern auch Portugiese, der das Volk achtet und sein Bestes will. Deshalb sehe ich in diesem Boykott mehr als den Irrtum, den Schaden und Verlust. Dieser Boykott ist nämlich auch ein Kind der Revolution – Teil des demokratischen Kampfes auf dem Lande; eine Aktion, die mich trotz allem stolz macht.“