Wenn er diesen Nepomuk nicht erfunden hätte, dann hätte ihn der Autor erfinden müssen, um seine Meinung in Anekdoten ausdrücken zu können. Und so hat er seinen Nepomuk erfunden und jede Menge Anekdoten dazu – Nepomuk-Anekdoten eben.
Wie Branstner woanders berichtet, hatte diese Erfindung eine gewisse Gesetzmäßigkeit:
Die Nepomuks zu schreiben war unvermeidlich. Ihre logische und philosophische Eigenart sind neben meiner sprudelnden Fantasie wesentliche Triebkräfte meiner Produktion. Ich hatte etwa 15 Nepomuks geschrieben, als mir die Geschichten vom Herrn Keuner von Bertolt Brecht begegneten, von deren Existenz ich bis dahin nichts gewußt hatte. Erfreut begrüßte ich einen exzellenten Partner und Konkurrenten. Das ist eine merkwürdige Eigenschaft von mir: ich freue mich, wenn ich nicht allein gut bin. Ich sehne mich geradezu nach mindestens gleichguten Partnern.
Insofern ist es ein hübscher Spaß, wenn der Autor seinen Nepomuk mit dem Herrn K. des Herrn zusammentreffen lässt, wie in der folgenden Anekdote geschildert wird:
Der Knall-Effekt
Nicht des Weges achtend stieß Nepomuk mit einem Herrn zusammen. Den Hut lüftend erkannte er sein Gegenüber und entschuldigte sich erfreut, Herrn Keuner so unversehens auf den Fuß getreten zu haben. Auch Herr Keuner lüftete den Hut, war jedoch ein wenig verfremdet.
Wie immer bei Branstner weiß er sich selbst zu loben. So lesen wir wiederum in dem anderen Buch über die Qualität seiner Nepomuk-Anekdoten:
Trotz allem darf nicht unerwähnt bleiben, daß die Nepomuks dreimal besser sind als Brechts Geschichten vom Herrn Keuner. Das sind sie zunächst in ihrer literarischen Qualität. Keuner ist keine literarische Figur, sondern ein abstraktes Sprachrohr des Autors, während Nepomuk ein Charakter ist, der nach eigenem Bekunden sich körperlich kaum unter die Schulter geht, sich geistig also weit überragt. Auch sprachlich sind die Nepomuks deutlich besser. Zweitens ist die Originalität der thematischen Einfälle, der Witz der Geschichten den Keunergeschichten weit überlegen. Und drittens ist die haushohe Überlegenheit, welche die Nepomuks in ihrem philosophischen Gehalt haben, unübersehbar. Die Voraussetzung dafür ist in der Vorbemerkung zur Werkauswahl genügend charakterisiert. Darin schreibt Gerhard Branstner:
Eines ist unbestritten: Die Anekdote hat drei wunderbare Eigenschaften. Das sind die Weisheit, die Heiterkeit und die Geselligkeit. Darin kommt ihr keine andere Kunst gleich. Was Wunder, dass ihr meine große Liebe gehört.