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Kursbuch 219 : Im Exil

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"Selbst im Exil ist es nicht so schlimm zu leben wie allein im Vaterlande" – das schrieb Stefan Zweig in seinem Londoner Exil, und in diesem Satz ist die Spannung des Exils gut aufgehoben. Das, was der Exilant zurĂŒcklĂ€sst, muss so schlimm sein, dass ein Exil besser ist als dies – und doch bleibt das ZurĂŒckgelassene das Eigene. Im Exil zu sein, ist nicht einfach ein Ortswechsel, sondern eine Multiplikation von Orten im Exilanten selbst.

Genau diese Orte und Knotenpunkte sucht dieses Kursbuch auf. Sibylle Anderl rĂ€t allen Erdlingen von kĂŒnftigen Mars- oder Weltraumexilen ab. Armin Nassehi stellt die Frage, ob der Fisch ĂŒberhaupt weiß, dass er im Wasser lebt und einen Begriff des Wassers haben kann. Christoph Markschies zeigt, wie das babylonische Exil der Juden bis heute den Horizont ihres SelbstverstĂ€ndnisses prĂ€gt. Georg Glasze und Henning FĂŒller wiederum beschĂ€ftigen sich mit Konzepten von PrivatstĂ€dten, gewissermaßen Wohnexilen auf dem Planeten, die gerade in Saudi-Arabien und andernorts entstehen.

Ein besonderes inneres Exil thematisiert das Interview mit Katrin Nemec und Katharina Köster. Die beiden Dokumentarfilmerinnen haben mit ihrem Film "Jenseits von Schuld" Eltern eines Serienmörders begleitet, die sich behaupten mĂŒssen: als Eltern, die verkraften mĂŒssen, dass ihr eigenes Kind unfassbare Verbrechen begangen hat, und als Menschen, die von außen als exakt solche Eltern wahrgenommen werden. Jens Siegert beschĂ€ftigt sich mit einem abgelehnten Exil, nĂ€mlich mit dem Fall Alexej Nawalnys, der trotz aller Drohung und trotz AnschlĂ€gen auf sein Leben im Exil nach Russland zurĂŒckkehrte und in einem Lager zu Tode kam. Barbara Sheldon und Enno Aufderheide berichten von der Philipp Schwartz-Initiative der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Exil annimmt und ihnen wissenschaftliche Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland bietet.

Ein Schwerpunkt dieses Kursbuchs sind literarische Arbeiten von acht Autorinnen und Autoren, die allesamt in Deutschland im Exil sind, weil sie in ihren HeimatlÀndern verfolgt werden und keine Chance haben, frei und ohne Repression zu arbeiten. Es sind Behnaz Amani (Iran), María Teresa Montaño Degado (Mexiko), Pezhmann Golchin (Iran), Anisa Jafarimehr (Kurdistan/Iran), Collen Kajakoto (Simbabwe), Mubeen Khishany (Irak), Stella Nyanzi (Uganda) und Zimicier Vishniou (Belarus).