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Leise tönt das Martinshorn

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Der Titel dieses Buches hat den Charakter eines Oxymorons – also eines Widerspruchs in sich wie etwa ein schwarzer Schimmel. Denn eigentlich ist ein Martinshorn dafür da, sich laut bemerkbar zu machen …

In seinen 32 Randbemerkungen nimmt sich der Autor vieler verschiedener Dinge an, so zum Beispiel dem Recht auf Traurigkeit – wofür es nach der Wende den einen oder anderen Grund gibt -, den Vorstellungen der Deutschen vom Paradies und dem Beginn der Mode (Stichwort Evas Feigenblatt), den Ritualen am Nikolaustag, einer neuen Partykultur, dem Liebesleben ostdeutscher Frauen (sie kommen im Bett eher als westdeutsche) und der Vernunft im philosophischen Sinne, den Ossis und den Wessis, dem Wahlkampf, den Gewinnern und Verlierern, dem Lottoglück und einer ganz besonderen Art von massentauglicher Literatur, der bundesdeutschen Währungsunion sowie Staatsmännern und Rasierklingen, einem unechten Onkel Willy, der ein echter Gipfelstürmer ist, einem Besuch bei einer wirklich alten Dame (91) und einem Splitternacktschwimmer, dem richtigen Umgang mit Zorn und der Fantasie von Schriftstellern, Weihnachtsgedanken, nach der Wende verschwundenen Begriffen wie zum Beispiel Schichtzüge, Ereignissen der unmittelbaren Nachkriegszeit, der begeisterten Karl-May-Lektüre eines kleinen Jungen, dem Alltagsleben der Stare und dem Nachdenken über Narren, Märchen und Lügen, verschwundenen Hoffnungen aus DDR-Zeiten, Humor und Traurigkeit (wie beim Dichter Joachim Ringelnatz), deutschen Philosophen und deutschen Zuständen, dem Klicksern (falls Sie nicht wissen sollte, was das ist, lesen Sie Randbemerkung Nr. 26), seiner Heimatstadt Meerane und ihren Menschen sowie Schwierigkeiten mit der Bildung, der gesellschaftlichen Funktion der Dichtkunst und einem Amoklauf an einem Erfurter Gymnasium, einem Tag im Jahre 1918 und nicht zuletzt Lesungen im Stollberger Frauengefängnis „Hoheneck“ und Erfahrungen mit dem Arbeitsamt und dem Untergang eines Menschen.

Und damit noch einmal zur Geschichte Nr. 26 und zu dem eingangs erwähnten Oxymoron. Denn diese Randbemerkung endet folgendermaßen:

Wer sich über das Gedicht meines in Zöblitz lebenden Freundes Wolfgang Buschmann freuen kann, der hat noch jenen ungetrübten Rest an Kindheit, von dem ich anfangs schrieb, in sich.

Es war einmal ein Martinshorn,

das hatte einen Ton verlorn.

Er fiel ins hohe Gras hinein

und schlief nach fünf Minuten ein.

Dort fand ihn die Kuh Liese

und fraß ihn als Gemüse.

Am nächsten Morgen muhte sie,

und zwar: tatü, tata, tatü.