Liane stolperte benommen ĂŒber ausgestreckte Beine im Wartezimmer, murmelte eine Entschuldigung, öffnete eine TĂŒr, es war die falsche, sie fĂŒhrte in einen zweiten Untersuchungsraum. Liane erkannte es an dem besonderen Stuhl, von solch einem war sie gerade heruntergeklettert. Rasch warf sie die TĂŒr zu, fand die richtige nach drauĂen, wurde aber von der Sprechstundenhilfe zurĂŒckgerufen: Sie haben die Ăberweisung vergessen! Als Liane sie verstĂ€ndnislos ansah, drĂŒckte sie dem MĂ€dchen ein Blatt Papier in die Hand, fĂŒgte hinzu: Damit melden Sie sich bei der Schwangerenberatung Ihres Stadtbezirks!
Psychologisch einfĂŒhlsam schildert die Autorin die Nöte und Ăngste des fĂŒnfzehnjĂ€hrigen MĂ€dchens Liane - soll sie das Kind austragen oder nicht?
LESEPROBE:
Inge Peterson schlieĂt die WohnungstĂŒr auf, sofort spĂŒrt sie sich von Steffis Armen umklammert, hört: Maamaa - in Lianes Campingbeutel sind JĂ€ckchen, Hemdchen, Strampelhosen, sogar Schuhe fĂŒr meine Puppe Grit. Aber Liane hat sie mir, weiĂ ich, warum, weggerissen, behĂ€lt sie, Mama, die ist doch viel zu groĂ, mit Puppen zu spielen! Steffi hĂ€lt ihrer Mutter ein JĂŒpchen, mit Noppen gestrickt, dazu eine kleine MĂŒtze entgegen, Ist 'ne Ausfahrgarnitur, Mutti, erklĂ€rte sie wichtig. Und sieh mal, auch das noch! Sie hebt einen Packen Windeln hoch. Bestimmt hat Oma alles fĂŒr mich mitgegeben!
Liane hat die WĂ€schestĂŒcke an sich gepresst, sie sieht die Mutter Ă€ngstlich an. Die wiederum erschrickt vor Liane. Fragt: Um Himmels willen, Tochter, das kann doch nicht wahr sein? Sag, dass es nicht stimmt...
Liane weiĂ auf einmal zu ihrer Erleichterung, dass ihre Mutter die Tatsache erfasst hat. Sagen musst du es ihr, hatte Oma verlangt.
Aber die Erleichterung schlÀgt gleich in Schreck, Entsetzen, Versteinerung um. Sie steht, lÀsst sich nun ohne Protest die Kindersachen von Steffi aus den HÀnden zerren.
Inge Peterson hat die Netze, wo sie steht, fallen lassen, blickt unglĂ€ubig auf die groĂe Tochter, schreit: Nun sag endlich was! Als Liane weiterhin schweigt, stĂŒrzt sie auf das MĂ€dchen zu, greift sie bei den Schultern. Sie ist durch ihre Arbeit krĂ€ftiges Zupacken gewohnt; so spĂŒrt Liane schmerzhaft die HĂ€nde der Mutter, die sie schĂŒtteln und an ihr reiĂen.
Habe ich als deine Mutter keine anstÀndige ErklÀrung verdient?
Liane vermag weiterhin nichts zu sagen.
Die Mutter ist nun völlig auĂer sich. Sie zieht das Gesicht der Tochter zu sich hoch, aber die drĂŒckt den Kopf nach unten, ohne einen Laut von sich geben.