Dieses Buch ist die erste anspruchsvolle Gesamtinterpretation von Bob Dylans Werk in deutscher Sprache. Richard Kleins Aufmerksamkeit gilt der Musik wie der Poesie, dem Songwriting wie der Performance. Vor allem jedoch und im Gegensatz zur bisherigen Literatur steht Dylans Stimme im Mittelpunkt: in der Vieldeutigkeit ihrer Masken und ihrer wechselvollen Geschichte von den Anfängen 1961 bis zu den Konzerten vom Herbst 2005. Neben zahlreichen auf den Gesang zentrierten Songanalysen werden Elemente einer Theorie der narrativen Stimme bei Dylan vorgestellt. AusfĂźhrlich beschäftigt sich der Band mit den frĂźhen Jahren, insbesondere mit den politischen und ästhetischen HintergrĂźnden, die zum Eklat von Manchester 1966 fĂźhrten. Die Alben und Tourneen der siebziger Jahre werden als Zeichen einer Zeit gelesen, die mit der Notwendigkeit geschichtlicher Reflexion konfrontiert: Nostalgie bezwingen und Neuanfänge riskieren, die keine bloĂen KostĂźmwechsel sind.
Radikal innovativ ist Kleins Deutung der Gospelphase: Sie legt das Gewicht nicht auf die religiĂśsen Texte, sondern auf die Musik, die Konzerte. Mit dem Ergebnis, daĂ diese Songs keineswegs, wie uns eine verkalkte Kritik einreden will, einen ideologischen Lapsus darstellen, den man vergessen sollte, sondern Dylans kĂźnstlerischen Zenit seit 1966. Weiten Raum nimmt die Interpretation des Spätwerks ein: Nicht nur werden dessen Motive bis in die frĂźhen Jahre zurĂźckverfolgt und der Ort des 'anderen Amerika' kritisch gesichtet. Erstmals erfahren auch die Folkalben der neunziger Jahre eine adäquate Zuwendung. Die Analysen zu Time Out Of Mind und Love And Theft kreisen beide je anders um das Spannungsverhältnis von Stimme und Geschichte. Ein groĂes Kapitel widmet sich der Never Ending Tour. Seine Message lautet: So faszinierend der frĂźhe Dylan ist, der späte steht sich selbst in nichts nach.
Partien zur rezeptiven Bedeutung von Dylans Musik schlieĂen sich an. Die eine untersucht deren Ort in der lebensgeschichtlichen Beziehung von Jugend und Alter, die andere die Dialektik von Heiligenverehrung der Fans und Dylans Kampf gegen sie. Das letzte Kapitel begrĂźndet den Titel des Buches. Es zeigt, wie und warum sich Dylan der Alternative 'Pop oder Kunst' entzieht. DaĂ Text und Musik sich bei ihm gegenläufig zueinander verhalten. Jeder nur literarische oder nur musikalische Zugang zu seinem Werk wäre eigentlich falsch.