Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Der Reiter, der auf seinem Trakehner gemächlich in den Gutshof ritt, horchte betroffen auf die zornige Stimme seines Onkels. Markig schallte sie durch die geöffneten Fenster der Rentmeisterei über den abendstillen Hof, und die Wortfetzen, die das Ohr des Lauschenden auffing, ließen vermuten, daß der Gutsherr mit einem seiner Untergebenen unbarmherzige Abrechnung hielt. Dann wandte der Blick des Reiters sich dem Burschen zu, der vom Stall her eilig auf ihn zukam. »Was ist denn los, Erwin? Wer wird da so erbärmlich heruntergepudelt?« »Ich glaube, es ist der Rentmeister, Herr Baron. Was mag der ausgefressen haben, daß unser Herr ihn so andonnert!« Damit nahm der Bursche das Pferd am Zügel und rannte mit ihm dem Stall zu. Der junge Mann sah ihm lachend nach und pirschte sich dann vorsichtig zum Fenster der Rentmeisterei. »Machen Sie, daß Sie mir aus den Augen kommen, Sie Betrüger! Ich habe keine Lust, mich von einem ungetreuen Beamten an den Bettelstab bringen zu lassen. Und wenn nicht innerhalb drei Tagen das unterschlagene Geld auf meinem Tisch liegt, übergebe ich Sie rücksichtslos der Polizei –!« Damit wandte er sich zum Gehen. Gefolgt von seinem Neffen, der ein wenig abseits gestanden und den Zornesguß des Onkels mit Genugtuung angehört hatte. Jetzt sprang der Lauscher vom Fenster fort und verbarg sich hinter der Hausecke. Als die beiden Herren im Gutshaus verschwunden waren, betrat er die Rentmeisterei, wo der Rentmeister regungslos stand – ein Bild des Jammers! Er regte sich auch nicht, als der Eingetretene auf ihn zuging, ihn bei den Schultern packte und schüttelte. »Menschenskind, Karbach, so kommen Sie doch zu sich!« Dann drückte er ihn in den nächsten Stuhl und betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Das scheint ja was Schönes zu sein, das Sie sich da eingebrockt haben, Sie Unglücksmensch.«