(1)

Wie ich meine Zeitung verlor : Ein Jahrebuch

audiobook


Er ist jung und eifrig. Er ist stolz auf sich und auf die große Zeitung, bei der er arbeiten darf. Er genießt es, die Dinge kĂŒhl und gegebenenfalls scharf niederschreiben zu dĂŒrfen, er genießt es umso mehr, da es in seinem vorherigen journalistischen Leben nicht möglich war; er ist der erste Ostler in der Redaktion. ZunĂ€chst arbeitet er im Sportressort, dann als Reporter. Über Jahre geschieht und gelingt alles wie selbstverstĂ€ndlich, weit ist diese Welt hier und offen – bis das Vorherige, das BedrĂ€ngende von Neuem aufscheint, in eleganterer Form, mit dramatischen Folgen. "Immer heißt es, wir mĂŒssen uns unsere Geschichten erzĂ€hlen, von Ost nach West und zurĂŒck, aber wenn man's tut, und es ist ja schon eine riesige EntblĂ¶ĂŸung, es zu tun, dann wird abgewunken und gesagt, lass doch dein Moralisieren."

Seine Geschichte fĂŒhrt auch zu der Frage, die sich vielen Lesern bei der ZeitungslektĂŒre stellt: Was denken sich Reporter und Kommentatoren eigentlich bei dem, was sie schreiben? Machen sie routiniert ihren Job, verfolgen sie ein höheres Ziel, sind Ehrgeiz oder Gefallsucht, Recherchelust und Aufdeckungsfreude im Spiel? Ist das von AufklĂ€rungsfuror oder von Interessen, ist es von Vernunft oder der Meinung des Chefredakteurs geleitet? Aus diesen Fragen und Zweifeln speist sich ein seit Jahren wachsendes Misstrauen gegen die Presse, das sich in wĂŒtenden Protesten, in rechten Propagandalosungen, in dumpfen Ressentiments ebenso wie in scharfsinniger Kritik und nĂŒchternen wissenschaftlichen Analysen niederschlĂ€gt. Wie aber reflektieren die betroffenen Journalisten das fragil gewordene VerhĂ€ltnis zu ihren Lesern, zu den Strukturen, in denen sie arbeiten, zu ihren Arbeitgebern, zum Ethos ihres Berufs?

Birk Meinhardt, der lange fĂŒr eine Tageszeitung gearbeitet hat, gehört zu den wenigen, die sich einer genauen Selbstbefragung unterzogen haben und ihre Position auf dem brĂŒchigen Pflaster des Medienbetriebs zu orten versuchen. Seine Geschichte ist die eines leidenschaftlichen Journalisten, der als erster Ostler in der Redaktion eines angesehenen Blattes arbeitet und lange blind bleibt fĂŒr die WiderstĂ€nde, auf die seine Arbeit zunehmend trifft. Es ist die Geschichte einer ErnĂŒchterung und – schließlich – einer Entzweiung. Er hat sie aufgeschrieben und stellt sie in die aufgeregten Diskussionen auf dem Feld, wo um Meinungsfreiheit ge- und die vermeintliche "LĂŒgenpresse" bekĂ€mpft wird. Ist er ein Held der Pressefreiheit, ein Nestbeschmutzer, ein AnklĂ€ger, oder ist er einfach nur ĂŒberempfindlich?


Narrator: Jan Katzenberger
Duration: