»Es war die Zeit, in der ich allmÀhlich das Ausmaà der indolenten Bequemlichkeit begriff, die ich mir wÀhrend des Jahrzehnts meines Lehrerdaseins nach und nach zugelegt hatte. Freilich, da waren gute VorsÀtze, ein paar Extratouren, der Wille zum Anderssein und Andersmachen. Trotzdem begann ich, mir einzureden, daà allein gute Stoffvermittlung und Ruhe in den Klassen wichtig seien . . . Der Schnitt dann unerwartet, ein Sturz gleichsam.
Vor einem Jahr schien es mir, als sei alles ohne jede AnkĂŒndigung gekommen. Inzwischen glaube ich, daĂ die Vorzeichen von mir nicht bemerkt wurden.«
Vor etwa fĂŒnfzehn Jahren hatte sich Christian Dannenberg mit Begeisterung fĂŒr seinen Beruf entschieden und ist nun in eine Persönlichkeitskrise geraten.
Ein vierzehnjĂ€hriges MĂ€dchen seiner Klasse hat versucht, sich die Pulsader aufzuschneiden. Nach dem ersten Schreck beginnt bei dem Klassenlehrer das Nachdenken ĂŒber sich, seine Ehe, die Kollegen, Bekannte und darĂŒber,
wie er sich in dieser »zugespitzten Situation« verhalten soll. Die Sache des MĂ€dchens wird zu seiner eigenen, und er muĂ sich eingestehen, »hornhĂ€utig« geworden zu sein, ein routinierter Stoffvermittler und Zensurengeber, ein oberflĂ€chlicher, unmutiger Typ - und dies nicht nur in der Begegnung mit seinen SchĂŒlern. Die Krise ist umfassender.
Der Autor Albrecht Franke, der in Stendal lebt, ist auch Lehrer. Nach seinen ErzĂ€hlungen ĂŒber Expressionisten, »Letzte Wanderung«, hat er eine Gegenwartsgeschichte geschrieben, deren Problematik weit hinausgeht ĂŒber den schulischen Bereich. Er plĂ€diert fĂŒr risikobereites, verantwortungsbewuĂtes Handeln - auch wenn dabei, trotz bester Absicht, nicht alles wohlgerĂ€t. Es gibt Lebenssituationen, da mĂŒssen Konventionen gedehnt und gestreckt werden, vorgegebene Muster gelten nicht mehr, und das EingestĂ€ndnis eigenen Versagens steht oft am Anfang einer Wandlung - in dieser Geschichte an der des Lehrers Christian Dannenberg.