Als einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache zieht
Stefan Zweig Leserinnen und Leser seit einem Jahrhundert in seinen
Bann. Der habsburgische Wiener, der später in Bath und Petrópolis
gelebt und nach Algier, Gwalior und New York gereist ist, wurde von
Joseph Roth, Jules Romains und Romain Rolland als Kosmopolit und
großer Europäer gefeiert. Ein Bild, welches sich in der Literaturwissenschaft
und bei der Leserschaft weitgehend festgesetzt hat und nicht
selten unkritisch übernommen wurde.
Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts waren die ›Belle Époque‹
und zugleich ein imperiales Zeitalter: Kolonialismus, Eurozentrismus
und Rassismus waren in Europa weit verbreitet. Europäertum inkludierte
damals daher nicht nur die Schönen Künste, Literatur und Reiselust,
sondern auch die Akzeptanz oder Perpetuierung der Schattenseiten
europäischer Weltreiche. So finden sich auch in Zweigs Werk
konfliktive und stereotype Darstellungen von Fremden.
Das vorliegende Buch ist folglich als Addendum zu verstehen, als Corrigendum,
einer zu einseitigen Wahrnehmung von einem nach wie vor
wirkmächtigen Autoren mit hohem literarischem Kredit. In der postkolonialistischen
Tradition Edward Saids und Tzvetan Todorovs wird
dafür geworben, ein ganzheitlicheres Bild eines großen Schriftstellers
zu ermöglichen.