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In den Falten des Textes: Kafkas Beschreibung eines Kampfes

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Beschreibung eines Kampfes gilt als Kafkas erster literarischer Versuch,

den der Autor nie zur Lebenszeit publizierte: Er beschränkte sich vielmehr,

sowohl aus der ersten als aus der zweiten Fassung einige Passagen

herauszuschneiden, die er als selbstständige Prosastücke publizierte.

Gewöhnlich hat sich die Forschung nur der ersten Fassung

(Handschrift A) gewidmet. Hier wird hingegen einen Vergleich zwischen

beiden Versionen angestellt. Man geht davon aus, dass Kafkas

réécriture einige Aspekte seines späteren Stils vorwegnimmt; während

in der Handschrift A die Performanz und fast theatralische Beweglichkeit

der Figuren überwiegt, bewegt sich Handschrift B schon in

Richtung jenes Variationsprinzips, das fast musikalisch auf minimalen

Verschiebungen und Veränderungen beruht. Die Seh-Funktion

rückt hier in den Mittelpunkt, eben weil die Gestalten jetzt aus der

erneuten Lektüre des eigenen Textes entstanden sind, und nicht direkt

aus der Einbildungskraft des Dichters. Das schon Geschriebene hat

die Wahrnehmung der Außenwelt abgelöst: Die Schrift ist selbst zur

Außenwelt avanciert. Erste und zweite Fassung erzählen jedoch nicht

zweimal dieselbe Geschichte; sie erzählen vielmehr jeweils eine andere

Geschichte und dies, weil jeder Text unter immer neuen Bedingungen

geschrieben wird.