Es war einer dieser seltenen Tage in Hamburg, an denen die Sonne durch die Wolken brach und die Alster im Licht glitzerte. Trotzdem hatte ich schon beim ersten Kaffee gespürt, dass irgendetwas nicht stimmte. Mein Kollege Roy Müller, dessen Büro ich mir im Polizeihauptpräsidium am Berliner Tor teilte, hatte das gleiche Gefühl. Er war heute ungewöhnlich still gewesen, und das bedeutete meistens, dass wir bald zu einem Tatort gerufen werden würden.
Ich war gerade dabei, mir die dritte Tasse Kaffee einzuschenken – Filterkaffee, wie er in der Kripo üblich ist, stark und bitter – als das Telefon schrillte. Ich griff zum Hörer, noch bevor Roy reagieren konnte.
„Jörgensen, Kripo Hamburg.“
„Uwe, wir haben einen Toten in der Staats- und Universitätsbibliothek. Wissenschaftler, Name: Dr. Christian Bertram. Sieht nach Vergiftung aus. Ihr beide fahrt hin. Ich will einen ersten Bericht bis Mittag.“ Die Stimme von Kriminaldirektor Jonathan Bock klang wie immer knapp und sachlich. Dann legte er auf.
Roy sah mich an und zog eine Augenbraue hoch. „Bibliothek? Das ist mal was anderes.“
Ich nickte und stellte meine Tasse ab. „Komm, Roy. Lass uns den Literaten jagen.“