Hegel-Studien, Beihefte

Anders als hinlĂ€nglich aus der Rezeption der Kunstphilosophievorlesungen Hegels bekannt weist Carolyn Iselt in ihrer Studie zur Kunst-Religion in der »PhĂ€nomenologie des Geistes« nach, dass dem menschlichen Individuum in der Kunst auch fĂŒr Hegel nicht nur Bedeutung in idealisierter Form als Götterskulptur oder als tragischem Helden zukommt. Vielmehr dienen die klaren Ă€sthetischen Formen dazu, das UnterdrĂŒcken der IndividualitĂ€t hervor- und diese ins Bewusstsein treten zu lassen. Im Kapitel Kunst-Religion ist demnach eine Entwicklung vom sittlichen-allgemeinen Bewusstsein hin zum Erkennen der Bedeutung des Einzelnen und dessen IndividualitĂ€t nachzuvollziehen, und zwar anhand einer systematischen Abfolge von Kunstgattungen – Skulptur, Gesang, Epos, Tragödie und Komödie. Daraus lĂ€sst sich auch fĂŒr die Kunst ableiten, dass ein Hinausgehen ĂŒber die ideale Einheit auch aus Ă€sthetischen GrĂŒnden notwendig ist. WĂ€hrend dies den zweiten Teil der Arbeit bildet, zeigt die Autorin im ersten auf, dass sich am Ende des Vernunftabschnitts im Unterkapitel »Das geistige Thierreich und der Betrug, oder die Sache selbst« das allgemeine Bewusstsein des Geistes aus der Kritik an der dort dargestellten Vorstellung von absoluter IndividualitĂ€t entwickelt. Herausgearbeitet wird hier, dass Hegel IndividualitĂ€t ĂŒberhaupt mit »Thun« gleichsetzt, sodass die jeweils besondere Bestimmung der IndividualitĂ€t erst aus einem im Tun entstehenden Wechselspiel zwischen angeborenen Eigenschaften und sozialer Wirklichkeit erfolgt. Aber nicht nur der Einzelne bestimmt und erfĂ€hrt sich durch sein Handeln, auch die Gemeinschaft sowie deren Bewusstsein, der Geist, grĂŒndet im »Thun Aller«. Im geistigen Tierreich wird zwar diese Basis des Geistes – das Tun interagierender Individuen – en dĂ©tail dargelegt, aber ein geistiges Bewusstsein tritt lediglich als Desiderat auf. Mithin fehlt es auch an einem Medium der Reflexion. Letzteres stellt den Zusammenhang zur Kunst bzw. zur Kunst-Religion her. Im Kunstwerk reflektiert sich nicht nur das KĂŒnstlerindividuum, sondern gleichfalls die soziale Wirklichkeit, durch die auch der KĂŒnstler bis in seine IndividualitĂ€t hinein bestimmt ist. Durch den Fokus auf die Kunst-Religion und das geistige Tierreich wird in dieser Studie der Zusammenhang zwischen individuellem Tun, dem Kollektiv handelnder Individuen und Kunst herausgestellt. Dabei wird ausgehend vom hegelschen Text sowohl die Vermittlung zwischen dem Einzelnen und der sittlichen Allgemeinheit als auch die substantielle Bestimmung der Kunst diskutiert.