Haben Kunstwerke vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse die Kraft, die Welt zu verändern? Ausgehend von dieser Frage steht im Fluchtpunkt der vorliegenden Essays die Freiheit des Individuums, der vor allem mit Blick auf Paul Celan und Theodor W. Adorno nachgegangen wird: Kunstwerke sind soziale Tatsachen und als solche Resultate eines Aushandlungsprozesses zwischen individuell Einzelnem und gesellschaftlichem Ganzen. Dadurch werden gesellschaftliche Formationen beobachtbar. Kunst entfaltet in der Auseinandersetzung mit ihr transformatorisches Potenzial und kann das Individuum daran erinnern, die eigene Wirklichkeit als veränderlich zu verstehen.
In einer kritisch-hermeneutischen Rekonstruktion werden auf unterschiedlichen Ebenen Fragmente der Freiheit hervorgehoben, welche in unterschiedlicher Weise den Kunstwerken eingeschrieben sind und auf die gesellschaftlichen Widersprüche und Debatten ihrer Zeit verweisen. Kunstwerke können dem Menschen als soziales, verwundetes Subjekt Passagen zu einer veränderbaren Realität aufzeigen: Die Freiheit wird beobachtbar im Bewusstsein ihrer Abwesenheit. Im Zentrum dieser These steht das Individuum und dessen Auseinandersetzung mit Kunstwerken als Residuen des ästhetischen Augenblicks. Sie legen Zeugnis ab von den gesellschaftlichen Antagonismen der Vergangenheit und Gegenwart und verweisen auf die Kontingenz einer Welterfahrung, die noch nicht nach einer Seite aufgelöst ist.
Das Spektrum der in diesem Band versammelten Einzelbeobachtungen reicht von den Mythopoetiken der Bibel und deren Reflexion im 20. Jahrhundert über Franz Kafka, Frida Kahlo und Barnett Newman bis hin zur Popkultur von Patti Smith. Gemeinsam mit Überlegungen zu deutschen Erinnerungskulturen, Betrachtungen zu den 68ern, Hanna Diyāb – einem der Erzähler von Tausendundeine Nacht – und weiteren treten diese in einen spannungsreichen Dialog mit Szenarien der Gewalt, Exklusionssemantiken und den gesellschaftlichen Brüchen im gegenwärtigen Deutschland und Europa.