Evald Vasil'eviè Il'enkov (1924- 1979) war nicht nur ein herausragender dialektisch-materialistischer Philosoph, dessen Originalität in der ehemaligen Sowjetunion auf heftigen Widerstand stieß, er war auch Weg-begleiter und ein Stück weit philosophischer Mentor der Entwicklung der Tätigkeitstheorie. Diese, d.h. die psychologische Konzeption von A.N. Leont'ev und seiner Schule, ist wiederum in die Entwicklung der nichtklassischen Psychologiekonzeption von L.S. Vygotskij einzuordnen, dessen Denken neben dem von Spinoza, Hegel und Marx für Il'enkov von höchster Bedeutung war.
Hauptgebiet der theoretischen Tätigkeit von Il'enkov waren die Rekon-struktion des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten und das Verhältnis von Logischem und Historischen als Kern der Methodologie von Karl Marx sowie eine dialektisch-materialistische Theorie des Ideellen in Anknüpfung an Hegel. Zwischen A.N. Leont'ev und E.V. Il'enkov bestanden lange und intensive Kontakte, die wesentlich die Konzeption des Leont'evschen Spät-werkes mit beeinflusst haben. Sehr deutlich sind Il'enkovs Einflüsse auf J.P Gal'perin, aber insbesondere auch auf V.V. Davydovs höchst einfluss-reiche allgemein-didaktische Konzeption.
Der vorliegende Band erarbeitet erstmals systematische Zusammenhänge zwischen Il'enkovs Philosophiekonzeption und der Tätigkeitstheorie. Über die Rekonstruktion des Denkens von Il'enkov ebenso wie des von Leont'ev werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet, die für die Rezeption der kulturhistorischen und Tätigkeitstheorie nicht nur historisch von hoher Bedeutung sind. Die Analyse leistet vor allem einen methodologischen Beitrag zur Rekonstruktion des Gesamtprojektes einer nicht-klassischen Psychologie in marxistischen Traditionen, deren "Kapital" zwar noch aussteht (Vygotskij mit Verweis auf Marx), deren "Grundrisse" aber sicher schon geschrieben sind.