Mutige, intelligente und dennoch vergessene Schriftstellerinnen des 19.
Jahrhunderts gibt es einige. Ilse Frapan (1849–1908) wurde darüber hinaus
zur ›persona non grata‹. Dieses Standardwerk liefert grundlegende
Forschungsergebnisse zu Frapans persönlicher und literarischer Entwicklung:
zu ihrer Herkunft aus der Neustadt Hamburgs und der Fröbelbewegung,
ihrem Wirken als Lehrerin an der freireligiösen Paulsenstiftsschule,
wo sie ihre Lebensgefährtin, die jüdische Malerin Emma Mandelbaum
kennenlernte, und zu ihrem Weg als Berufsschriftstellerin – gefördert von
Storm und Vischer. Während ihres Studiums der Naturwissenschaften
in den 1890er Jahren in Zürich war sie u. a. Mitgründerin des Frauenrechtschutzvereins,
Mitinitiatorin der ›Schweizerischen Gesellschaft für
ethische Kultur‹ und Gründerin der Zürcher Kinderschutzvereinigung.
Durch die Bekanntschaft mit russischen Studierenden wurde sie Tolstojanerin
und bekannte sich zum gewaltfreien Anarchismus, engagierte sich
in der Friedensbewegung und setzte sich zusammen mit ihrem Partner
Iwan Akunian für den armenischen Freiheitskampf ein, was von Zeitgenossen
als radikal empfunden wurde. Bei Genf lebte sie in engem Kontakt
zur Tolstoikolonie von Pavel Biriukow. Unheilbar erkrankt ging sie im Dezember
1908 mit Emma Mandelbaum gemeinsam in den Tod. Während
Frapans frühe humorvolle Milieustudien mit sittlich entscheidungsfreien
Individuen gefielen, erregten ihre späteren Werke teilweise erheblichen
Anstoß. Mit ihrem Beharren auf der Verantwortung für Mitmenschen
und Erde gehört Frapan zu den Vorläufer:innen der Friedens-, Ökologieund
Weltethos-Bewegungen des 21. Jahrhunderts.