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Rechtstrieb : Schulden und Vollstreckung im liberalen Kapitalismus 1800–1900

Livre numérique


Kapitalismus: Ein Alltag der Schulden. Das Buch von Mischa Suter unternimmt eine historische Ethnographie in die prekäre Ökonomie des 19. Jahrhunderts, indem es den Moment ins Zentrum rückt, in dem Schulden unbezahlbar werden. Der "Rechtstrieb", die rechtlich sanktionierte Eintreibung von Schulden, formte einen Strom aus unzähligen Forderungen, Konflikten und Friktionen, die in ihrer Konkretheit sichtbar gemacht werden.

Vor allem anderen sind Schulden ein Kräfteverhältnis, in dem ökonomische Beziehung und moralische Bewertung ineinander fließen. Der Alltag im liberalen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts war ein undurchdringliches Geflecht solcher Verhältnisse. Wurden Schulden unbezahlbar, gerieten die von ihnen bestimmten Situationen in eine Schieflage. Die Eintreibung von Schulden war dabei eine basale Technik, die Zwangsvollstreckung ein Recht, das Sachverhalte voneinander abgrenzte, Werte umriss und Verhältnisse neu vermittelte: ein Recht der Wissenspraktiken, das unmittelbar auf die Lebenswelt der Betroffenen durchschlug. Männliche Schuldner riskierten den Verlust ihrer Bürgerrechte, Schuldnerinnen wurden unter Vormundschaft gestellt. So formte das Schuldenrecht Figuren wie den "bürgerlich toten Falliten" oder den formal definierten, einer gesonderten Konkursordnung unterstellten "Kaufmann" aus. Mischa Suters Buch interveniert in die Wissensgeschichte des Ökonomischen ebenso wie in die Debatte zum historischen Kapitalismus: Es ist eine Aufforderung, Konflikt, kollidierende moralische Sichtweisen und epistemische Konfusion als Kern des Kapitalismus.