Tom verzieht das Gesicht wie bei Zahnschmerzen. Er sagt ihr, von welcher nächtlichen Beschäftigung er kommt und worauf er hier warten will. Dabei besieht er sich das Mädchen genauer.
Ein rundes Gesicht mit Himmelfahrtsnase. Lebhafte Augen. Beim Zuhören zieht sie die Augenbrauen hoch, kraust den Nasenrücken. Das glattgescheitelte Haar ist links und rechts mit Gummibändchen abgebunden, die Zopfbüschel ragen weg wie Katzenohren. Die Figur ist Durchschnitt, ein bisschen mollig. Alles sitzt, und alles passt.
Also irgendeines dieser völlig normalen Mädchen, wie sie einem am Tag dutzend Mal begegnen, nach denen man sich höchstens umschaut, wenn sie eingehenkelt mit der hübschen Freundin ankommen. Die Zigarette hält sie mit Daumen und Zeigefinger wie eine Anfängerin. Lächelt. Wahrscheinlich alles in allem ein schlichtes Gemüt.
Jana lacht. „Wir zwei passen zusammen wie ein Latsch zum anderen, du.“
Tom guckt verdutzt.
Sie erklärt es ihm: „Beide kommen wir von der Nachtschicht. Treffen uns rein zufällig. Doch was der Clou ist: Jeder hat sein problematisches Alterchen daheim. Du die Oma, ich den Opa.“
Diese beiden älteren Herrschaften, das sind übrigens die Rosel und der Bruno, mit denen die beiden jungen Leute so ihre Schwierigkeiten haben. Und worauf Tom, der Schornsteinfegerlehrling, frische achtzehn, und Jana, Brötchenbäckerin im Backwarenkombinat (im Schichtbetrieb), ein bisschen über zwanzig und damit die reifere von beiden und außerdem mit einem Faible für ihre Lieblingsfarben Grün und Orange, ist der Beginn des Kartenvorverkaufs für den Rentnerball zu Pfingsten in der Stadthalle - Tanz für altes Eisen gewissermaßen.
Und nachdem sich die beiden bei einem gemeinsamen Sekt-Frühstück im noblen Interhotel etwas näher miteinander bekanntgemacht haben, haben sie eine Idee – sie wollen Rosel und Bruno miteinander verkuppeln:
„Wenn deine Großmutter meinen Großvater nähm“, sagt sie langsam, „dann wären wir beide auf einmal ziemlich verwandt miteinander. Hast du daran schon einmal gedacht?“
Erst schüttelt Tom den Kopf, dann plötzlich nickt er.
Jana erwidert seinen Blick. Ernsthaft und ohne Zwinkern sieht er sie an.
Ihm fällt auf, sie hat schöne Augen. Helle. Mit grünlichen Pupillen.
Vor Verlegenheit greift Jana zum Glas. „Worauf trinken wir jetzt?“
Aber weder Jana noch Tom – die beiden sind jetzt ungefähr anderthalb Stunden miteinander bekannt – ahnen, welche Folgen ihre Pläne haben werden und zwar sowohl für ihre beiden alten Herrschaften als auch für sie selbst.