Innen- und sozialpolitisch war der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) ein bekannter Akteur in der DDR. Dass er zumindest zeitweise auch ein wichtiger außenpolitischer Handlungsträger war, ist in der Forschung bislang kaum berücksichtigt worden. Eine Lücke, die mit dieser Dissertation über die Spanienpolitik des FDGB geschlossen wird.
Für den FDGB als größte Massenorganisation der DDR war die Legitimation von Aufbau und Geltung des Sozialismus nach innen und außen eine der vorrangigen Aufgaben. Wichtiger Teil davon war die Erinnerungsarbeit zum Spanischen Bürgerkrieg, aus der eine Verpflichtung abgeleitet wurde, die Gewerkschaftsopposition in Spanien zu unterstützen. In der Aufbauphase der DDR diente der Kultus um den Spanischen Bürgerkrieg und die Internationalen Brigaden zur legendenhaften Begründung des sozialistischen Experiments. Nach der Konsolidierung des Arbeiter-und-Bauern-Staates infolge des Mauerbaus 1961 aktivierte der FDGB Teile seiner Organisation als "Revolutionsexporteure". Doch bereits zuvor hatte der FDGB frühzeitig ein transnationales Beziehungsnetz mit Gewerkschaften in Ost und West aufgebaut. Denn zugleich sollten die außenpolitischen Aktionsmöglichkeiten der DDR durch die Gewerkschaft ausgebaut werden. Dabei war Spanien während der Diktatur Francisco Francos auch aus globalstrategischen Gründen ein wichtiges Operationsgebiet.
Der FDGB war in den Kontext der DDR-Spanienpolitik fest eingebunden, um den "Freiheitskampf des spanischen Volkes" als gelebten Antifaschismus zu zelebrieren. Entsprechend finanzierte er Solidaritätsorganisationen für Spanien oder propagandistische und literarische Publikationen und leistete Hilfe bei der Integration spanischer Exilierter in der DDR. Ein wichtiger Zweig dieser Tätigkeiten bezog sich auf aktive materielle und moralische Hilfe für die spanische Opposition, insbesondere die von Kommunisten dominierte illegale Gewerkschaft Comisiones Obreras. Offiziell unterstützte der FDGB diese nur rhetorisch; beachtliche Lieferungen von Hilfsgütern oder andere Formen materieller Solidarität erfolgten verdeckt. Heimlich wurden Delegationen der Comisiones Obreras empfangen, Arbeitern Kuraufenthalte ermöglicht, Schulungen angeboten, Studenten an der Gewerkschaftshochschule unterrichtet. Doch die Beziehungen waren nicht frei von Spannungen und insbesondere nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" zeitweise vom endgültigen Abbruch bedroht.
Andreas Jüngling untersucht die Handlungsspielräume des FDGB als Teil des außenpolitischen Apparates der DDR. Dabei thematisiert er sowohl die transnationalen Zu- und Einordnungsversuche der historischen Forschung als auch die Frage, inwiefern und wie weit sich die operative Autonomie von Teil- und Subsystemen im Verhältnis zur SED entwickelte, ausdehnte, behauptete oder wieder beschnitten wurde. Nicht zuletzt fördert seine Arbeit Ergebnisse zutage, die erkennen lassen, ob es einen kontinuierlichen und harmonischen Gleichklang zwischen FDGB und SED gab, der die reibungslose "Transmission" am Beispiel der Spanienpolitik demonstriert. Insgesamt erweitert die Arbeit die Forschung zur Geschichte der Beziehungen zwischen den antagonistischen Regimen der DDR und Franco-Spaniens um die neue Facette der Gewerkschaftsaußenpolitik zwischen Solidarität und Realpolitik.