GegenStandpunkt

Vier Monate Krieg in der Ukraine – beweisen, dass allen drei beteiligten Seiten ihre GrĂŒnde, ihn zu fĂŒhren, so wichtig sind, dass sie sich von einer Fortsetzung bisher auch dadurch nicht haben abbringen lassen, dass sie sich wechselseitig den Preis fĂŒr einen Sieg immer weiter in die Höhe treiben. „Die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands“, „Frieden und Freiheit fĂŒr Europa“, „Freiheit, UnabhĂ€ngigkeit und SouverĂ€nitĂ€t fĂŒr die Ukraine“: FĂŒr diese drei offensichtlich unvertrĂ€glichen GĂŒter wird seit vier Monaten in der Ukraine zerstört, getötet, gestorben. Dass sie es wert sind, verkĂŒnden die russischen, ukrainischen und westlichen FĂŒhrer ihren Völkern am laufenden Band. Worin sie bestehen und warum sie diesen Krieg notwendig machen, das erklĂ€rt der Artikel „Die drei GrĂŒnde des Ukraine-Kriegs“. – fĂŒhren nicht nur vor, dass die regel- und rechtsbasierte Weltordnung, auf die sich alle Gegner berufen und deren Verletzung sie sich gegenseitig vorwerfen, eine BrutstĂ€tte fĂŒr die GegensĂ€tze ist, die nun im Krieg ausgekĂ€mpft werden – wo sonst als im Frieden sollten die GrĂŒnde fĂŒr Krieg auch entstehen? Vielmehr zeigt der westliche Wirtschaftskrieg gegen Russland, der nach dem Urteil seiner Dirigenten erfreulich effektiv, einseitig und ĂŒberlegen verlĂ€uft, auch noch dies: Die Ergebnisse des vielgepriesenen zivilen Staatenverkehrs – also der globalisierten Konkurrenz um Geld, Kapital und Kredit – statten die kapitalistischen FĂŒhrungsmĂ€chte, die sich als ‚Freier Westen‘ feiern und mit ihrem NATO-‚FriedensbĂŒndnis‘ zum ‚Schutzherrn einer friedlichen Staatenordnung‘ gegen den ‚Aggressor‘ Russland erklĂ€ren, mit ökonomischen Machtmitteln aus, die sie jetzt als Waffen einsetzen, um Russlands zivile Basis zu zerstören. Worin diese Waffen bestehen und wie die Umwidmung von zivilen AbhĂ€ngigkeitsverhĂ€ltnissen in Mittel einer KriegsfĂŒhrung funktioniert, erklĂ€rt der Artikel „Wirtschaftskrieg – die zweite Front, die die USA und ihre VerbĂŒndeten zur Zerstörung Russlands aufmachen“. – sind zugleich eine vier Monate andauernde Orgie der Moral; auch in Deutschland, das sich einstweilen zwar in berechnender ZurĂŒckhaltung, aber permanent eskalierend mit immer mehr Sanktionen gegen Russland und mit immer mehr und schweren Waffen fĂŒr die Ukraine am Stellvertreterkrieg gegen Russland beteiligt, den niemand so nennt. Umso mehr sollen die Deutschen, und zwar jede und jeder Einzelne von ihnen, sich zu dieser zwischenstaatlichen Gewaltgroßtat als Herausforderung ans eigene Gewissen stellen, als ob die kriegerische Auseinandersetzung der Staaten unbedingte persönliche Anteil- und Parteinahme verlangen und als ob das mehr entscheiden wĂŒrde, als dass man sich dafĂŒr entscheidet, der eigenen Seite den Sieg, der anderen die Niederlage zu wĂŒnschen. Nach welcher Logik die politisch vorgegebenen, öffentlich nachgebeteten und verbindlich gemachten moralischen Urteile – Ukraine gut!, Putin böse!, „Wir!“ mĂŒssen helfen – konstruiert sind und wie sie sich an jedem berichteten Fakt und jedem Bild beliebig reproduzieren lassen, das erklĂ€rt die Artikelsammlung „Deutsche Kriegsmoral: Einschwörung des Volks auf den Kurs seiner FĂŒhrung“.