Die In-vitro-Fertilisation (IVF) ist seit der Geburt des ersten »Retortenbabies« 1978 ein maßgebliches Verfahren der Reproduktionsmedizin. Zehntausende von Frauen unterziehen sich allein in der Bundesrepublik Jahr für Jahr einer solchen Behandlung, weil sie auf eine Schwangerschaft hoffen. Zugleich stellt die In-vitro-Fertilisation ein technisches Modul für weitere Verfahren wie die embryonale Stammzellforschung oder das Klonen dar.Die wenigen Arbeiten, die bisher zur Geschichte der In-vitro-Fertilisation existieren, leiden zumeist darunter, dass sie die Entwicklung als Abfolge von »Entdeckungen« präsentieren und das komplexe Geflecht von Bedingungen vernachlässigen, das zur Etablierung dieser Technologie nötig war. Dadurch wird die Kontinuität wissenschaftlicher Arbeit im Sinne einer geradlinigen Fortschrittsvorstellung überbetont, soziale Entwicklungen (auch innerhalb der Wissenschaft bzw. zwischen verschiedenen Disziplinen) werden vernachlässigt. Die vorliegende Arbeit rekonstruiert die Geschichte anhand zweier Fallstudien: Die erste beschäftigt sich mit frühen Versuchen zur extrakorporalen Befruchtung von Kaninchen-Eizellen im 19. Jahrhundert, die zweite untersucht Befruchtungsversuche mit Eizellen von Kaninchen und Frauen in den dreißiger und vierziger Jahren. Diese Versuche wurden in Form einer heterogenen Kooperation von einem agrarwissenschaftlichen in ein physiologisches Labor und von da aus in eine Klinik transferiert. Innerhalb der Versuche wurde die Grenze zwischen Natur und Kultur, zwischen natürlicher und künstlicher Befruchtung nachhaltig verschoben. Am Ende dieses Prozesses, also etwa ab 1950, lässt sich von einer Forschungslinie der In-vitro-Fertilisation sprechen, wobei die Arbeit grundsätzlich auch die Frage aufwirft, inwiefern man überhaupt von einer solchen sprechen kann, wenn zugleich die Diskontinuitäten des Forschungsprozesses betont werden.
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