„Der Mensch ist eben ein ‚unermüdlicher Lustsucher’. Und jeder Verzicht auf eine einmal genossene Lust wird ihm sehr schwer.“
Sigmund Freud
Der Titel „Leichte psychische Störungen“ kann nur ironisch gemeint sein, denn alle Charaktere - die Lustsucher - leiden unter gravierenden psychischen Problemen, doch die meisten nicht in einer institutionalisierten Therapie. Nur in zwei Geschichten erscheint ein Psychiater oder Psychologe. Mehr als eigentlich Verrückte werden verrückte und intensivierte Perspektiven auf Sachverhalte gezeigt. Die Menschen stürzen sich in extreme Gefühle und erleben seelische Ausnahmezustände wie die Frau, die in einem halluzinierenden Augenblick Gott zu sein glaubt und sich daher für die Übel der Schöpfung verantwortlich fühlt.
Nach der Einnahme eines seltsamen Rauschgifts verliebt sich eine andere Figur in alle Männer und Frauen, die sie sieht. „Die Liebe verwandelt alle Perspektiven [...] Die Übersteigerung des Lebens ist nur durch Liebe möglich, und hätte ich dieses Rauschgift nie probiert... dann wäre ich immer unten geblieben, eine Leiche des Alltags.“ Eine bekannte Wissenschaftlerin und Dichterin wird durch den bloßen Einfluss eines Ortes, einer Umgebung, in der die Menschen wie eine anonyme Herde behandelt werden, allmählich zunichte gemacht. In dem Bus und in dem düsteren Heim des Nichts wird ihre Existenz weggeblasen. Eine Ich-Erzählerin denkt über ihre chaotische Biographie der Erinnerungen und über eine Fliege nach: „Sie hat keinen Eigentumssinn, deshalb geht sie immer rein und raus, ohne zu fragen. Ich kann es ihr nicht verständlich machen, dass das mein Zimmer ist und dass ich allein gelassen sein möchte."
Das Buch ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit gewissen Besessenheiten, Neurosen und imaginierten, nicht realen Vorgängen. Einige davon sind typisch für unsere Zeit, wie das beschriebene „Verbrechen“ einer älteren, etwas verwirrten Dame, die ständig gegen ökologische Vorschriften zu verstoßen glaubt.