William Blake (1757–1827) gilt als einer der bedeutendsten Dichter, Mystiker und Künstler der englischen Romantik. Geboren in London, erlebte er früh Visionen, die sein gesamtes Schaffen prägten und ihm eine einzigartige Stellung zwischen Literatur, Kunst und Religion verschafften. Sein Leben war von materieller Armut, doch von geistiger Fülle bestimmt. Er arbeitete als Graveur, Illustrator und Dichter und entwickelte eine ganz eigene Form der "illuminated printing", in der Text und Bild zu einer unauflösbaren Einheit verschmolzen. Von seinen Zeitgenossen oft missverstanden, fand er erst im 19. Jahrhundert die Anerkennung, die sein Werk bis heute begleitet. Seine Vorstellungen von der Einheit von Dichtung, Bildkunst und spiritueller Erkenntnis machten ihn zu einer Schlüsselfigur für die moderne Literatur- und Kunsttheorie. Sein Nachwirken reicht bis in die Gegenwart: Dichter, Künstler und Philosophen berufen sich auf seine visionäre Kraft, seine Kritik an religiöser Dogmatik und seine poetischen Entwürfe einer universellen Imagination.
Die vorliegende Ausgabe vereint seine größten dichterischen Werke in deutscher Sprache, begleitet von den originalen Illustrationen, die der Autor selbst geschaffen hat. Diese Verbindung von Text und Bild vermittelt einen authentischen Zugang zu seinem Schaffen, der über eine reine Übersetzung weit hinausgeht.
Zu den frühesten Schriften gehören "Alle Religionen sind eins" und "Es gibt keine natürliche Religion", kurze, aphoristisch zugespitzte Texte, in denen Blake die Vielfalt religiöser Erfahrung verteidigt und gegen eine rein rationalistische Sicht auf Glauben polemisiert. "Das Buch Thel" entfaltet in symbolischen Bildern die Geschichte einer jungen Seele, die über die Vergänglichkeit des Lebens nachsinnt – ein zentrales Thema der frühen Romantik.
Besondere Bekanntheit erlangten die "Lieder der Unschuld und der Erfahrung", in denen sich unschuldige Kindheit und bittere Erfahrung der Erwachsenenwelt gegenüberstehen. Gedichte wie Das Lamm und Der Tiger gehören zu den eindrucksvollsten lyrischen Schöpfungen der englischen Literatur.
Im Bereich der großen prophetischen Bücher ragt "Europa, eine Prophezeiung" heraus, in dem Blake die politischen Umbrüche seiner Zeit visionär deutet. Ebenso bedeutend ist "Das Buch Urizen", das die Figur des Urizen als Verkörperung des Gesetzes und der Unterdrückung zeichnet. Ergänzend dazu stehen "Das Lied von Los" und "Das Buch Ahania", in denen die Dynamik von Schöpfung, Revolte und Zerstörung dichterisch gestaltet wird.
Die späten Werke zeigen eine noch größere Weite. "Milton. Ein Gedicht" schildert die spirituelle Rückkehr des englischen Dichters Milton auf die Erde, während "Jerusalem" als sein monumentales Hauptwerk gilt, eine umfassende Vision von Geschichte, Religion und menschlicher Freiheit. "Für die Geschlechter: Die Tore des Paradieses" erweitert ein früheres Werk und wendet sich in allegorischer Form an die Menschheit als Ganzes.
Von besonderer Bedeutung ist auch "Laokoon", ein fragmentarisches, aber hoch einflussreiches Werk, das in poetischen Sentenzen über Kunst, Religion und die Macht der Imagination reflektiert. Und nicht zuletzt zählt "Die Hochzeit von Himmel und Hölle" zu den provokantesten Schriften: Hier entwirft Blake eine kühne Umwertung religiöser Gegensätze, die Himmel und Hölle nicht als absolute Gegensätze, sondern als schöpferische Polarität versteht.