Georg Simmel nimmt in Bezug auf die Wissenssoziologie den Status eines »Wegbereiters« ein. Er formulierte soziologische, erkenntnistheoretische und kulturphilosophische Problemstellungen, die (posthum) in die sich formierende Wissenssoziologie hineinwirkten.
Die wissenssoziologischen Pionierleistungen Simmels sind vielfältig. So stehen im Zentrum seiner relationistischen Sozialtheorie die Wechselwirkungen zwischen den Individuen und der dynamische Vergesellschaftungsprozess. Weiterhin insistiert Simmel darauf, dass Soziologinnen und Soziologen auf eine bereits von den Menschen selbst gedeutete soziale Welt stoßen. Seine diesbezüglichen Überlegungen zu den soziologischen Apriori stellen einen Versuch dar, die kantianistische Epistemologie sozialkonstruktivistisch umzuformulieren.
Jenseits dieser eher grundlagentheoretischen Innovationen finden sich in Simmels unzähligen Essays dichte Beschreibung von Alltagserscheinungen des modernen Lebens. In seinen Abhandlungen über den Fremden, den Raum, das Geld, die Großstadt oder über das ethische Problem der Freiheit – um hier nur eine kleine Auswahl zu nennen – offenbaren sich Simmels beeindruckende phänomenologische Beobachtungsgabe und analytisch präzise Genauigkeit. Zugleich schält sich in den Essays eine bis heute noch aktuelle kulturelle Zeitdiagnose heraus.
In diesem Band werden die Konturen einer Wissenssoziologie bei Simmel aufgezeigt und in Beziehung zum biografischen Kontext und wissenschaftlichen Habitus dieses Klassikers gesetzt.