Verbrechen aus "Ehre": Hintergründe und Strategien zur Prävention. Obwohl sogenannte Ehrenmorde nur einen kleinen Teil der Tötungsdelikte hierzulande ausmachen, erschüttern sie uns besonders, wir sind kaum in der Lage, sie rational und emotional zu verstehen. Der Gedanke, einen womöglich sogar nahestehenden Menschen zu ermorden, nur um die vermeintliche Familienehre zu erhalten oder wiederherzustellen, macht uns rat- und fassungslos. Tatsächlich sind derart motivierte Taten in archaisch-patriarchalen, von Stammestraditionen bestimmten Gesellschaften am häufigsten zu finden, vor allem im Nahen und Mittleren Osten, in Pakistan und Afghanistan, aber auch in nicht-muslimischen Regionen in Indien, Lateinamerika oder Süditalien. Islamistische Terrororganisationen und die Mafia nutzen diesen Ehrbegriff ebenfalls als Legitimation, um Menschen zu töten, die nicht ihren Normen entsprechen, und Macht auszuüben. Im Zuge der Migration in dieser Tradition sozialisierter Menschen geschehen solche Taten zunehmend auch in Deutschland bzw. in Europa. Von politisch motivierten Organisationen werden Verbrechen dieser Art rasch aufgriffen, und die Debatte über Migration, Integration, Ausländer, Abschiebung etc. wird weiter angefacht. Schnell kommt es zu einer Polarisierung und zum Teil sogar Radikalisierung. Mögliche Ursachen und Hintergründe werden kaum diskutiert, sie sind politisch nicht von Interesse. Dass die Morde zu verurteilen und die Täter zu bestrafen sind, bedarf keiner Diskussion. Vielmehr geht es Jan Ilhan Kizilhan in Gewalt im Namen der Ehre um den Versuch, dieses "System" der "Ehre", der "Ehrenmorde", der Blutrache und der terroristischen Gewalt zu erkunden, damit präventives Handeln entsprechend darauf ausgerichtet werden kann mit dem Ziel, dass solche Gewalttaten in Zukunft nicht mehr passieren. Die Androhung von Haft- oder in manchen Ländern sogar der Todesstrafe reicht offenbar nicht aus. Dieses Buch liefert das vertiefte Wissen und Verständnis zu dem Thema, das es braucht, um Gewaltdelikten aufgrund eines übersteigerten Ehrbegriffs konstruktiv entgegenzutreten.
Inhalt u.a.: Ehre in den verschiedenen Religionen und Gesellschaften • Ausbreitung und Entwicklung des Islams • Entwicklung des islamischen Rechtssystems • Übernahme traditioneller patriarchalischer Ehrvorstellungen • Aufleben in der Gegenwart • Ungleichheit, Hierarchie und Gehorsam als gesellschaftlicher »Rahmen« • Solidargruppen in patriarchalischen Gesellschaften • Familie als Rechtseinheit • Erziehung zum Gehorsam • Machtverhältnisse der Geschlechter • Die Beziehung zwischen Mann und Frau • Die Stellung der Frau im Islam • Verschleierung in islamischen Ländern • Psychologische Erklärungen für Aggression und Gewaltbereitschaft • Unterdrückte, unkontrollierte Aggression • Lust an Gewalt und Aggression • Soziale Einflüsse – Ehr- und Schamverhalten • Strukturelle und kulturelle Gewalt • Dimensionen von »Ehre« • Die Ehre des Mannes • Die Ehre der Frau • Überdauern archaischer Rechtsvorstellungen • Patriarchalische Normen und Wertvorstellungen zu Sexualität • Sexualität und Ehre • Sexualmoral im Islam • Sexualität und Geschlechterverhältnisse • Sexuelle Orientierung • Zwangsverheiratung • Zwangsverheiratung nach Vergewaltigung • Das Märtyrertum in der islamisierten Ideologie • Nation, Blut und Ehre • "Kultur der Gewalt" • Mein Körper – seine »Ehre« • Prävention von Gewalt "im Namen der Ehre" • Bei Gewalt im familiären System • Bei Ehrverletzung durch sexualisierte Gewalt • Scham und sexualisierte Gewalt • Gewaltprävention mit zugewanderten Männern • Gewalt und Männlichkeit im Kontext von Migration