Manchmal frage ich mich, warum ich mir das noch antue. Die Nächte in Hamburg sind nass, kalt und voller Schatten, die mehr verbergen, als mir lieb ist. Und heute, als ich aus dem Polizeihauptpräsidium an der Bruno-Georges-Platz trete, ist es wieder so eine Nacht. Der Regen fällt in dichten Schnüren, die Straßen glänzen wie schwarzes Glas, und irgendwo jault eine Sirene. Ich ziehe den Kragen meines Mantels hoch und warte auf Roy.
Roy kommt immer zu spät. Das gehört zu ihm wie der schiefe Grinser und die abgewetzten Turnschuhe, die er selbst im Dienst nicht ablegt. Ich stehe unter der Markise und beobachte, wie die Lichter der Reeperbahn im Regen verschwimmen. Hamburg schläft nie, sagt man. Aber manchmal wünschte ich, es täte es.
„Uwe, du alter Griesgram!“, ruft Roy, als er endlich auftaucht. Er hält einen Pappbecher Kaffee in der einen und einen Schirm in der anderen Hand, den er mir großzügig über den Kopf hält. „Du siehst aus, als hättest du im Hafen übernachtet.“
„Habe ich auch“, murmele ich und nehme ihm den Kaffee ab. „Was gibt’s?“
Roy grinst. „Bock will uns sehen. Sofort.“
Ich stöhne. Kriminaldirektor Jonathan Bock ist kein Mann, den man warten lässt. Er ist der Typ Chef, der immer ein bisschen zu akkurat aussieht und dessen Blick einen durchbohren kann wie ein Eiszapfen. Ich weiß nie, ob er mich gleich befördern oder feuern will.