Vor Sonnenaufgang des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann ist ein bewegendes naturalistisches Drama, das die tragische Degeneration einer Bauernfamilie beleuchtet, die durch Kohlefunde plötzlich zu Reichtum gelangt ist. Diese Veränderungen führen zur Alkoholsucht vieler Familienmitglieder, insbesondere von Bauer Krause und seiner Tochter Martha. Während Marthas erstes Kind an den Folgen des Alkohols stirbt, wird ihr zweites Kind tot geboren.
Im Gegensatz zu ihrer Familie unterscheidet sich Helene Krause durch ihre Erziehung im Herrnhutischen Pensionat. Sie leidet unter dem trinkenden Milieu ihres Elternhauses. Als Alfred Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers Hoffmann, für volkswirtschaftliche Studien zu Besuch kommt, verlieben sich Helene und Loth. In einer Gartenlaube gestehen sie sich ihre Liebe und träumen von einer gemeinsamen Zukunft. Doch als Loth von der Alkoholsucht der Familie erfährt, verlässt er Helene aus Sorge um die Vererbbarkeit des Alkoholismus. Tief verletzt nimmt sich Helene das Leben.
Das Drama erstreckt sich über fünf Akte und beginnt mit Loths Ankunft im schlesischen Witzdorf, wo er seinen alten Studienfreund Hoffmann besucht. Während Loth sich für eine gerechte Güterverteilung einsetzt, hat Hoffmann seine Ideale aufgegeben und lebt im Luxus. Im Verlauf des Stückes wird Loths Abneigung gegen Alkohol und die dadurch entstehenden Konflikte thematisiert. Loth und Helene kommen sich näher, doch ihre unterschiedlichen Hintergründe und Loths Entdeckung der familiären Alkoholsucht treiben sie auseinander.
Der Höhepunkt des Dramas ist der Moment, als Loth erfährt, dass Alkoholismus die Familie Krause und damit auch Helene betrifft. Er verlässt sie, da er befürchtet, seine zukünftigen Kinder könnten diese Sucht erben. Helenes Verzweiflung über Loths Abschied führt zu ihrem tragischen Selbstmord, nachdem sie von der Totgeburt von Marthas Kind erfährt.
Vor Sonnenaufgang ist ein eindringliches Werk, das die Auswirkungen von Reichtum, Sucht und moralischen Konflikten aufzeigt. Hauptmann gelingt es, mit tiefgründigen Charakterstudien und realistischen Szenarien die Leser zu fesseln und zum Nachdenken über soziale Missstände und menschliche Schicksale anzuregen. Dieses Drama ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kraft des naturalistischen Theaters und bleibt durch seine zeitlosen Themen und emotionalen Intensität in Erinnerung.